Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
Mundlos häufiger und bremst ihn in Gesprächen aus. Nur Beate Zschäpe gegenüber ist er freundlich und zuvorkommend. Die kümmert sich um praktische Dinge. Abends bekocht sie die beiden Männer und ihren «Gastgeber». Als Mandy S. vorbeikommt, schneidet das junge Skinhead-Girl ihr einmal die Haare.
Auf die Straßen von Chemnitz trauen sich die drei nur nachts. Wenn es dunkel wird, verlassen sie die Unterkunft für kurze Ausspährunden. Wenn sie nach draußen gehen, haben sie immer ein Reizgasspray dabei. «Einmal habe ich in einer Tasche von einem der drei den Griff von vermutlich einem kleinen Revolver gesehen. Ich vermutete, dass es eine Schreckschusspistole war. Der Griff war braun, klein und gebogen», sagt Max-Florian B. Ob sie den Revolver auf ihre Runden mitnehmen, ist nicht sicher.
Den Kontakt zu Mandy S. und Max-Florian B. und somit auch zu ihrem ersten geheimen Unterschlupf hat das Trio über eines der wichtigsten Mitglieder des «Blood & Honour»-Netzwerks in Chemnitz geknüpft: Thomas S. Dieser ist eine bedeutende Figur in der Chemnitzer Skinhead-Szene, ein Alt-Skinhead, der schon lange aktiv ist und rechte Konzerte organisiert. Die drei haben Thomas S. schon vor Jahren über die «Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene» kennengelernt, als sie ihn während seiner Gefängniszeit besuchten. Uwe Mundlos schrieb S. damals oft Briefe in seine Zelle.
Seitdem das Trio bei B. eingezogen ist, wird er nicht mehr von Thomas S. ignoriert, auf einmal ist er wer in der Chemnitzer Neonaziszene. S. schüttelt ihm auf einer Skinhead-Veranstaltung sogar anerkennend die Hand. Sie sprechen zwar nicht über die Untergetauchten, aber allen Mitwissern ist klar, dass es um sie geht.
In dieser Zeit taucht auch André E. in Chemnitz auf. «Ich habe den André als gleichgestellten Neuling in der Skinhead-Szene kennengelernt. Er war also auch nicht so bekannt wie ich. Wir haben uns angefreundet», sagt B. Mehrfach besucht André E. die drei in der Wohnung, in der sie untergeschlüpft sind.
Der gelernte Maurer ist ein überzeugter Neonazi, auf seinem Bauch hat er sich die Worte «Die Jew die» eintätowiert – «Stirb, Jude, stirb» – und die Zahl 88 für «Heil Hitler». Der 19-Jährige versendet gern mal Grußkarten mit Hakenkreuz. Zu Weihnachten verschickt er später eine SMS an seine Freunde: «Heil euch! meine familie und ich wünschen euch ein schönes julfest! mögen unsere ahnen und göter über euch wachen! bewahrt nicht die asche, haltet das feuer! heil odin! mkg andre+familie». (Fehler im Original)
Auch Andrés Zwillingsbruder Maik ist ein überzeugter Rechtsextremist. Nach Recherchen der Märkischen Allgemeinen wird er später Leiter des Potsdamer Stützpunktes der NPD-Jugendorganisation «Junge Nationaldemokraten»; das LKA Sachsen führt ihn als Mitglied im Verein «Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) e.V.». Die HDJ wird 2009 als verfassungsfeindlich verboten. Seine Frau Sylvia E. engagiert sich bei der äußerst konspirativ arbeitenden völkischen «Gemeinschaft Deutscher Frauen».
Auch der Vater der Zwillingsbrüder, Manfred E., hat kein Problem mit stramm rechter Gesinnung. Seine Telefonnummer steht auf einer Einladung zu einem Treffen, bei dem Hitler-Jugend-Lieder gesungen werden sollen. «Bei Fragen» solle man sich an Manfred E. wenden. In dem Schreiben heißt es: «Ich bitte alle Kameraden um eine angemeßene Kleiderordnung da dies keine Skinheadveranstaltung wird sondern ein Treffen von Nationalsozialisten für Nationalsozialisten ist.» (Fehler im Original). Die Runen-Schriftzeichen auf der Einladung können mit «Sieg Heil» übersetzt werden.
André E. wird in den nächsten 13 Jahren zu einem wichtigen Unterstützer des Trios.
Zwei Wochen nach der Flucht ist das Girokonto von Uwe Böhnhardt leer. An einem Geldautomaten in einer Sparkassenfiliale in Jena-Winzerla werden am 11. Februar 1998 1800 DM von seinem Privatkonto abgehoben. Auch das Konto von Beate Zschäpe wird bis an die Grenze überzogen. Ein Kontoauszug von Mitte Februar zeigt, dass sie mit 3276 DM in den Miesen ist. Die drei brauchen Geld. Dringend.
Uwe Mundlos sitzt oft am Rechner, gestaltet Layouts für rechte Postillen oder schreibt selbst Artikel. In der Chemnitzer Neonazizeitung «White Supremacy» erscheint im Oktober 1998 auf Seite 26 ein Artikel unter der Überschrift «Gedanken zur Szene». Der brandenburgische Verfassungsschutz glaubt, dass Uwe Mundlos diesen Text verfasst hat. Er wettert gegen
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