Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
Böhnhardt «dort eine Packung Gummiringe in verschiedenen Größen» und zwei Liter Brennspiritus kaufen und diese Gegenstände in die Garage Nr. 5 im Komplex «An der Kläranlage» bringen.
Am Ende der Observation stellt ein Verfassungsschützer in seinem Bericht fest: «Im gesamten Operationsverlauf verhielt sich die Zielperson wenig konspirativ oder auffällig, eine Ausnahme bildet hier nur das Verhalten im Garagenkomplex an der Göschwitzer Straße.»
Jetzt weiß der Staat, wo die Bombenwerkstatt sein könnte und dass die beiden jungen Männer etwas planen. Warum dauert es danach noch 63 Tage, bis diese Garage von Polizisten des Landeskriminalamts endlich durchsucht wird?
Am Wochenende vor Weihnachten übernachten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in der Jugendherberge in Schnett im Thüringer Wald. Kurz vor diesem Ausflug hat Böhnhardt an der juristischen Schulung einer Szeneanwältin beim «Thüringer Heimatschutz» in Heilsberg teilgenommen. Mittlerweile ist seine Gefängnisstrafe rechtsgültig. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis ihn die Polizei abholt und ins Gefängnis einliefert. Das muss Böhnhardt auf jeden Fall verhindern. Nach seinen Erfahrungen in der JVA Hohenleuben vor vier Jahren weiß er eines genau: Er will nie wieder zurück in den Knast.
Die Weihnachtstage sind stürmisch. Wind fegt durchs Saaletal an diesem 26. Dezember 1997. Fritz Müller hält es am zweiten Weihnachtsfeiertag nicht mehr zu Hause aus, er muss schauen, ob auf dem Friedhof noch alles in Ordnung ist.
Müller arbeitet als Leiter der Gräberpflege auf dem Nordfriedhof in Jena. Der Friedhof ist ein Kleinod, weite Teile des Gottesackers stehen als Gartendenkmal unter Denkmalschutz, die Feierhalle wurde Ende des 19. Jahrhunderts im neoklassizistischen Stil erbaut. Mitte der achtziger Jahre wurde eine Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Nationalsozialismus errichtet; vor einer Betonmauer mit der Inschrift «Ruhm und Ehre den Helden des antifaschistischen Widerstandskampfes» steht eine überlebensgroße Büste des proletarischen Freidenkers und Kommunisten Magnus Poser. Er kam 1944 im Konzentrationslager Buchenwald ums Leben.
Als Fritz Müller an diesem Morgen kurz vor 10 Uhr an der Gedenkstätte vorbeikommt, sieht er einen roten Koffer vor der Büste stehen. Darauf ist ein weißer Kreis mit einem schwarzen Hakenkreuz zu sehen. Sofort ruft er seinen Chef an; gegen 10:45 Uhr sichert die Polizei die Fundstelle ab, um 13:15 Uhr entschärfen zwei Spezialisten die vermeintliche Kofferbombe.
Auch dieses Mal ist es glücklicherweise nur eine Attrappe. Der umfunktionierte Reisekoffer aus Presspappe ist leer.
Am Abend schwärmen Polizisten aus, um die Alibis der Mitglieder der «Kameradschaft Jena» zu überprüfen. Für das LKA ist dieser Personenkreis für die bisherigen Bombenattrappen verantwortlich. Zuerst besuchen die Beamten Beate Zschäpe. Im Protokoll der Kriminalpolizeiinspektion Jena heißt es dazu lapidar: «Frl. Zschäpe wurde in den Abendstunden aufgesucht und zum Sachverhalt befragt. Sie machte keinerlei Angaben zu ihrem Alibi.»
Uwe Mundlos treffen die Polizisten nicht an. Als sie am nächsten Tag Uwe Böhnhardts Alibi prüfen wollen, kommt er den Polizisten in seinem roten Hyundai entgegengefahren. Die Ermittler schreiben später: «Dieser hatte Unterzeichnende erkannt und beschleunigte sein Fahrzeug so, dass eine Verfolgung im Rahmen der STVO nicht möglich war.»
Die Polizei verzichtet auf eine Verfolgung, weil sie sonst gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen hätte. Dabei ist Böhnhardt bereits seit über zwei Wochen wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt.
Die Ermittlungen gegen Uwe Böhnhardt gehen weiter. Am 8. Januar 1998 erfährt das Landeskriminalamt vom Verfassungsschutz, dass Böhnhardt zwei Garagen benutzt – die Garage Nr. 7 gegenüber seinem Wohnhaus und die Garage Nr. 5 im Komplex «An der Kläranlage». Als sich Polizisten die Schuppen an der Kläranlage einmal genauer ansehen, finden sie auf dem Gelände der Anlage die gleichen Kieselsteine aus Granit, die sie zuvor auch in der Bombenattrappe gefunden haben, die im Stadion versteckt war.
Beate Zschäpe fährt am 17. Januar 1998 nach Erfurt. Mit Mitgliedern des «Thüringer Heimatschutzes» und hundert anderen Neonazis aus Bayern und Berlin demonstriert sie für die NPD. Die Demonstration hat der Bundesgeschäftsführer der NPD angemeldet; Frank Schwerdt nutzt Ende der neunziger Jahre mindestens einmal die
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