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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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zu einem Magneten für junge Männer mit einem Faible für Waffen und Nazipropaganda.
    Die Rechten beginnen damit, einen Lattenverschlag zu zimmern, und zelten nachts im feuchten Gras. Die Jungs tragen kurze Haare und Tarnfleckanzüge – die Treffen entwickeln sich zu einer Mischung aus brauner Ferienfreizeit, Wiking-Jugend-Lager und Wehrsportübung.
    Die Parzellennachbarn sehen diese Entwicklungen gar nicht gern. Grölende Nazis sind das Letzte, was sie in der Nähe ihrer Naturgrundstücke wollen. Anfang Oktober 1997 beobachtet ein Schäfer, wie die jungen Männer mit einem Luftgewehr mit Zielfernrohr lernen, auf eine Scheibe zu schießen. Einige Schüsse verfehlen das Ziel und landen in den Holzbalken des Schuppens. Hat Uwe Böhnhardt hier begonnen, das Schießen zu lernen? In einem Garten, in dem auch der verurteilte Rechtsterrorist Karl-Heinz Hoffmann gesehen wurde?

19
    Die Verurteilung
    Während das LKA in Erfurt noch die Spuren der Bombenattrappenserie in Jena auswertet, wird es für Uwe Böhnhardt bereits ernst: Er hat an einem Tag gleich zwei Termine bei zwei Gerichten.
    Zunächst muss er an diesem 16. Oktober 1997 vor dem Amtsgericht Jena erscheinen, weil er mit einem Luftgewehr im Auto erwischt wurde. Böhnhardt wird verurteilt und muss 50 Tagessätze à 30 DM bezahlen. Gegen das Urteil legt er Berufung ein. Zu dieser Verhandlung, die für Mai 1998 angesetzt wird, wird es nicht mehr kommen – zu diesem Zeitpunkt ist Böhnhardt schon in den Untergrund abgetaucht.
    Der zweite Termin an diesem Tag, vor dem Landgericht Gera, ist wichtiger. Sein Verfahren vom Frühjahr wird wieder aufgerollt, es ging um Nazi-CDs, Volksverhetzung, Störung des öffentlichen Friedens. Die Berufung wird zurückgewiesen. Böhnhardt wird zwar nicht für die Puppe an der Autobahn bestraft, unter anderem aber wegen Volksverhetzung verurteilt ihn das Landgericht Gera zu zwei Jahren und drei Monaten Jugendstrafe. Das Urteil wird zwei Monate später – Mitte Dezember 1997 – rechtskräftig.

    Am 18. November 1997 finden Ermittler in einem Haus in Stadtroda einen Sprengsatz. Hier sind zu dieser Zeit portugiesische Arbeiter untergebracht. Die Bombe liegt im Keller neben dem Kessel einer Gasheizung. Sie explodiert nur deshalb nicht, weil der Zünder gestört ist. Stadtroda ist von Jena nur 15 Kilometer entfernt.

    Die Mitarbeiter des Arbeitsamtes glauben Beate Zschäpe nicht, dass sie drei Monate am Stück krank ist. Eine 22-jährige Frau? Das Amt gelangt zu der Überzeugung, dass Zschäpe Sozialhilfebetrug begeht. Darum macht es kurzen Prozess und entzieht ihr am 20. November 1997 das Arbeitslosengeld, das sie seit dem Ende ihrer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bekommt.

    Die Ermittlungsgruppe Terrorismus/Extremismus beim Landeskriminalamt Thüringen braucht endlich einen Erfolg. Sechs Bombenattrappen mit Hakenkreuzen sind in den vergangenen zwei Jahren in Jena aufgetaucht, zweimal wurden die Kisten von Kindern gefunden. Beim letzten Fund befand sich sogar TNT-Sprengstoff in der Kiste. Es fehlt nur noch, dass im nächsten Koffer eine funktionierende Bombe liegt und den Finder schwer verletzt. Wie hieß es noch im Bekennerschreiben zu den Briefbombenattrappen? «Ab 97 haut es richtig rein!!!» Jeden Tag rechnen die Beamten in Erfurt mit einem neuen Fund.
    15. April 1996, 6. Oktober 1996, 31. Dezember 1996, 2. Januar 1997, 2. September 1997. An diesen Tagen sind die Bombenattrappen gefunden worden. Jedes Datum ist wie ein Schlag ins Gesicht für den ermittelnden Kriminalhauptkommissar vom Dezernat 61, Staatsschutz, des Landeskriminalamts. Der Abteilungsleiter muss den Fahndungsdruck erhöhen, um an die Täter zu kommen.
    Sie suchen die Bombenwerkstatt.
    Der Thüringer Verfassungsschutz hat dasselbe Ziel, aber mehr Möglichkeiten. Aufgrund der Erkenntnisse der Ermittlungsgruppe Terrorismus/Extremismus des LKA entscheiden sich die Verfassungsschützer für die Observation des Hauptverdächtigen: Uwe Böhnhardt.
    Vom 24. November 1997 an beobachten ihn Agenten des Verfassungsschutzes neun Tage lang, um die Werkstatt der «unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen» zu finden, wie Bomben im Ermittlerjargon heißen. Sie sehen, wie Böhnhardt zusammen mit Uwe Mundlos seine Wohnung renoviert und dabei Stahlrohre und Dämmwolle aus dem Hochhaus in eine gegenüberliegende Garage bringt. Am nächsten Tag verfolgen die Agenten den roten Ford von Uwe Mundlos bis zum Kaufland-Supermarkt in Jena-Lobeda und notieren, dass Mundlos und

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