Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
«Kameraden», die «nicht den Kampf zum Lebensinhalt» hätten, «sondern das Vergnügen». Sie forderten «Keine Macht den Drogen!», hingen aber «selbst an der Flasche und würden keinen Tag ohne Alkohol überleben». Er kritisiert politikfaule Aktivisten und saufende Skinheads: «Wer nicht bereit ist, sich aktiv am Kampf und der Bewegung zu beteiligen, der unterstützt passiv alles, was sich gegen unser Volk und unsere Bewegung richtet.» Das «antideutsche Pack» brauche einen «Arschtritt».
«Dazu gab es auch lange Gespräche zwischen uns, wo Uwe Mundlos sich darüber beschwert hat, dass nur Konzertberichte in den Zeitschriften sind, die nichts aussagen und wo es nur ums Saufen geht», erinnert sich Max-Florian B.
Ein anderes «Szene-Zine» veröffentlicht einen weiteren Text, den Mundlos geschrieben haben soll. In der März-Ausgabe vom «Zentralorgan», einer bundesweiten Zeitschrift der militanten Kameradschaftsszene, erscheint 1998 auf Seite 11 ein Artikel unter der Überschrift «… ab sofort wird Bombe mit Bombe vergolten».
Das Trio hat viel vor. Aber noch sind Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe weit davon entfernt, sich in den aktiven Kampf zu stürzen, den sie selbst fordern. Die drei kämpfen erst einmal mit ihren logistischen Problemen. Sie haben kein Geld, sie haben keine Ausweise und keine eigene Wohnung. Außerdem ist die Polizei hinter ihnen her.
21
Druck
Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt sind vorsichtig. Telefonate führen sie nur aus Telefonzellen und immer über Mittelsmänner. Den Kontakt zu ihrem derzeit wichtigsten Unterstützer Ralf Wohlleben in Jena halten sie über einen Strohmann, der selbst kein Neonazi ist. Der alte Schulfreund von Wohlleben telefoniert in dessen Auftrag mit Kontaktpersonen in Sachsen.
In den Wochen nach der Flucht hinterlässt ein Anrufer, der sich aus einer Chemnitzer Telefonzelle meldet, fünf verschlüsselte Botschaften auf Wohllebens Anrufbeantworter. Einmal bittet er Wohlleben, Geld und persönliche Dinge für das Trio zu organisieren. «Ralf» müsse «bei Böhnis Eltern vorbeifahren» und die Sachen abholen. Die Übergabe solle an dem Ort stattfinden, «wo wir vor zwei Wochen auch schon waren».
Ein paar Tage später der nächste Anruf: «Diese Nachricht ist noch mal für den Ralf … jetzt muss er aber unbedingt kommen … er soll vorher zu Uwes Mutter, Geld holen – wir brauchen viel Geld –, und soll dort einen Videorekorder holen und Klamotten und was weiß ich noch alles … Und er muss unbedingt Sonntag, 14 Uhr dort sein. Es ist ganz wichtig.» Später werden die vom Trio geforderten Gegenstände von thüringischen Neonazis auf Raststätten an der A 4 zwischen Jena und Chemnitz an einen führenden «Blood & Honour»-Skinhead aus Chemnitz übergeben.
Was Wohlleben, die Strohmänner und das Trio nicht wissen: Geheimdienstler hören die Telefonate von 19 Personen aus dem Umfeld der Flüchtigen ab. Alle Mitschriften landen auf den Schreibtischen des Landesamtes für Verfassungsschutz in Erfurt.
Unterdessen versuchen die Jenaer Freunde, an Geld für das Trio zu kommen und Fluchtwege ins Ausland zu organisieren. Im Gespräch mit einem V-Mann verrät die Jenaer Neonazigröße André K. damals, dass man auf der Suche nach Geld sei, um «die drei Flüchtigen aus Jena endgültig wegzubringen». K. bittet unter anderem den rechtsextremen Verleger Peter Dehoust, der in Coburg den «Nation & Europa»-Verlag führt, um Kredit. Angeblich erhält er wenig später 1500 DM aus der Verlagskasse. Auf Anfrage bestreitet Dehoust diese Zahlung. In Coburg findet ein Konzert des rechten Liedermachers Frank Rennicke statt. Die Einnahmen sollen angeblich dem Trio zugutegekommen sein. Bei einem Skin-Konzert in der Kneipe «Heilsberg» stellen die Kameraden vom «Thüringer Heimatschutz» Spendenkästen «für die drei» auf. Ralf Wohlleben und zwei weitere Jenaer Neonazis nehmen Kredite auf, um die Flüchtigen zu unterstützen. Der Unterstützer Holger G. gibt nach seiner Verhaftung zu, 3000 DM an die alten Freunde in Not gespendet zu haben.
Auch die regionale Szene versucht zu helfen. Der Anführer des rechtsextremen Netzwerks «Blood & Honour» in Sachsen, Jan W., veranstaltet braune Benefizkonzerte und verkauft von ihm produzierte CDs der Rechtsrock-Band «Landser». Von dem Geld soll eine Waffe gekauft werden. Nach Übergabe der Pistole soll die Zelle «einen Überfall planen, um mit dem Geld sofort Deutschland verlassen zu können», sagt W. am Rande eines
Weitere Kostenlose Bücher