Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
und die Edeka-Filiale in Chemnitz über 100000 DM geraubt und besitzt nun ein Polster, mit dem es sich einen angenehmen Lebensstil leisten kann.
Mit Hilfe eines Mittelsmannes beziehen die drei im Mai 2001 eine Wohnung im Zwickauer Westen: 77 Quadratmeter, vier Zimmer, ein langer Flur, Küche, Bad mit Dusche, Dachboden und Keller, knapp 800 Euro im Monat. Der Gründerzeit-Bau hat vier Etagen, sie beziehen das Erdgeschoss. In der Zwickauer Polenzstraße ist jetzt der Terror zu Hause. Für die kommenden sieben Jahre wird diese Wohnung ihr Versteck sein. Ihre Kommandozentrale, in der sie minutiös die Morde planen, und ihr Rückzugsort, den sie aufsuchen, nachdem sie wieder mal eine Bank überfallen haben. Sie machen es sich gemütlich. «Die Wohnung war kitschig und spießig eingerichtet», sagt Holger G., der einmal zu Besuch in das neue Domizil kommt. «Es gab Gardinen, Badvorleger und einen Hometrainer.»
In den Jahren, in der sie in dieser Wohnung lebt, wird die Zelle neun Menschen erschießen, zwei Bombenanschläge verüben und bei neun Banküberfällen fast eine halbe Million Euro erbeuten. Aber niemand wird etwas davon mitbekommen: weder die Nachbarn, die mit Beate Zschäpe im Garten Kaffee trinken, noch die afghanische Familie im Haus, die das Trio nur als freundlich und hilfsbereit kennenlernt. Und auch nicht die Polizisten, die Beate Zschäpe vernehmen werden, als einmal in der Wohnung über ihr eingebrochen wird. Die Nachbarn kennen noch nicht einmal die genauen Namen der drei neuen Bewohner. Nur Beate Zschäpe stellt sich ihnen vor – als Susann D..
Den Mietvertrag mit der Wohnungsbau Niedersachsen, Geschäftsstelle Sachsen, hat am 27. April 2001 ein Matthias D. unterschrieben. D. ist ein alter Schulfreund von André E., dem wichtigsten Unterstützer des Trios in den Zwickauer Jahren. In seiner eigenen Wohnung stellt D. in einer Vitrine einen Stahlhelm mit Hakenkreuz aus, eine Adolf-Hitler-Büste und mehrere NS-Orden.
Das Trio hat zwar Geld, kann aber mit seinen Tarnidentitäten keine Schufa-Auskunft, keine Vormieterauskunft und erst recht kein polizeiliches Führungszeugnis beantragen – und das verlangen manche Vermieter von ihren neuen Mietern. Also bringt André E. seinen alten Freund und das Trio zusammen. D. wird der Hauptmieter, sein Name steht auch am Klingelschild.
Am 13. Juni 2001 besteigen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos wieder ein Wohnmobil und fahren nach Nürnberg. Sie haben jetzt beide eine Tarnidentität. Mundlos fährt als Max-Florian B. und Böhnhardt als Holger G.
Holger G., den alten Freund aus der Kameradschaft Jena, kennt Uwe Böhnhardt seit den frühen neunziger Jahren. Während eines Telefonats fragt das Trio ihn, ob es seinen Ausweis nutzen kann. «Herr Wohlleben hat diesen Kontakt hergestellt, in dem Gespräch haben mich die drei angesprochen, ob ich bereit wäre, einen Reisepass zu erstellen, da ich dem Herrn Böhnhardt ähnlich sehe», erinnert sich Holger G. später. Er und Böhnhardt sind fast gleich alt, mit ihren kurzen Haaren und den runden Köpfen könnten sie Brüder sein. «Mir wurde am Telefon gesagt, ich soll für die Fotos für den Pass eine Brille aufsetzen und mir einen Schnäuzer wachsen lassen. Das habe ich auch gemacht», sagt G. Er fährt dann eigens nach Zwickau, übergibt den Pass und bekommt von Beate Zschäpe die Gebühren gleich erstattet. «Sie haben mir das Gefühl gegeben, dass ich was Supertolles für sie getan habe», sagt er.
Seit dem Morgen sitzt Abdurrahim Özüdoğru am 13. Juni 2001 in seiner Werkstatt in der Nürnberger Südstadt vor seiner Nähmaschine. Alle seine Tage gleichen sich. Der 49-Jährige ist Betreiber einer Änderungsschneiderei, ein Eckladen im Erdgeschoss eines vierstöckigen Hauses in einem Wohngebiet. Zwei große Fensterscheiben zeigen auf die Siemens- und die Gyulaer Straße.
Auf 25 Quadratmetern hat er alles, was er braucht, um Kleider zu kürzen, durchgesessene Jeans zu flicken oder Knöpfe anzunähen. In seinem Geschäftsraum stehen zwei Nähmaschinen, zwei Kleiderständer und ein Tisch. Überall sieht man Hemden und Hosen, auf dem Tisch, auf den Ständern und sogar auf dem Boden. Große Stapel mit Wäsche, überwiegend altmodisch, teilweise eingestaubt.
In der angrenzenden Wohnung sieht es nicht anders aus. Durch eine Tür im hinteren Teil des Ladens gelangt man zu Özüdoğrus Wohn- und Schlafzimmer sowie in die kleine Küche mit dem abgeteilten Bad. Der Schneider mit dem dichten schwarzen Haar und der bereits
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