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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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Wohnmobil abgestellt haben. Darin warten sie ab, bis der Fahndungsdruck der Polizei nachlässt. Sie erbeuten 38902,94 DM.

    Drei Wochen später, kurz vor Weihnachten 2000, mietet André E. ein weißes Fiat-Wohnmobil für das Trio. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt fahren damit von Zwickau nach Köln. Am 21. Dezember läuft einer der beiden durch das Viertel zwischen Kölner Hauptbahnhof und dem Mediapark, in dem Radiosender, Plattenlabels und der Musikkanal Viva ihren Sitz haben. In einer kleinen Seitengasse befindet sich das Lebensmittelgeschäft einer deutsch-iranischen Familie.
    Kurz nach 17:30 Uhr kommt ein Mitte 20-jähriger, junger schlanker Mann mit kurzen, aber lockigen blonden Haaren in das Geschäft. Es ist nicht bekannt, ob es Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt ist. An diesem Tag bedient der Ladeninhaber selbst die Kunden. Der blonde Mann hat ein Weidenkörbchen dabei, in dem schon eine Christstollendose liegt. Im Geschäft packt er noch einige Delikatessen dazu und will den Präsentkorb dann an der Kasse bezahlen. Hier fällt ihm angeblich ein, dass er sein Geld zu Hause vergessen hat. Aber er will es schnell holen. Der Mann kommt nicht wieder, nicht an diesem Tag, nicht am nächsten Tag und auch nach Weihnachten nicht. Irgendwann stellt jemand das Körbchen in einen Raum hinter dem Laden. Dort gerät es über die Feiertage in Vergessenheit.
    Erst vier Wochen später entdeckt die 19-jährige Tochter des Ladeninhabers den Korb und räumt die noch nicht verdorbenen Produkte wieder in die Regale. Am Ende will sie in die rote Stollendose schauen. Es ist 7 Uhr morgens am 19. Januar 2001, als sie den Deckel öffnet. Sie sieht noch eine blau lackierte Gasflasche – und sofort löst eine elektrische Zündung die Explosion des Schwarzpulvers in der Dose aus.
    Ihr Gesicht und ihre Hände brennen, sie erleidet Schnittwunden, und ihre Augen werden schwer verletzt. Im Krankenhaus liegt sie im Koma und muss beatmet werden.

    Eine Woche vor der Bombenexplosion treffen sich die Rechtsterrorismus-Experten von Verfassungsschutz, Kriminalämtern und Bundesanwaltschaft zu ihrer regelmäßigen Tagung. Sie findet diesmal am 10. und 11. Januar 2001 in Köln statt. Die Sicherheitsbehörden sind sich sicher, dass die rechte Szene sich nicht weiter bewaffnet. Resümee des Treffens: Es liegen derzeit keine Erkenntnisse über die Existenz terroristischer Strukturen vor.

    Hinter dem Anschlag auf die deutsch-iranische Familie vermutet die Polizei zunächst einen Racheakt aus dem Zuhältermilieu und danach finanzielle Streitigkeiten zwischen der Familie und einem Bauunternehmer. Zeitweise verdächtigt sie einen jungen Mann mit spanisch klingendem Namen der Tat. Doch keine dieser Spuren bestätigt sich. Im Januar 2006 verfügt die Staatsanwaltschaft Köln, alle Beweisstücke zu dem Fall zu vernichten.
    Auf der «Paulchen Panther»-DVD, die Beate Zschäpe im November 2011 versendet, bekennt sich der «Nationalsozialistische Untergrund» zu dem Anschlag. In dem Video sind Fernsehaufnahmen des zerstörten Geschäfts zu sehen und die Comicfigur Paulchen Panther, wie sie eine rote Stollendose vorzeigt, die mit dem zynischen Kommentar «Das kleine Bömbchen» beschriftet ist. Im Sprechertext heißt es:
    «So kann’s nicht weitergehen, denkt sich der Paul,
    denn mit den Nachbarn in der Nachbarschaft ist so manches faul!
    Bevor wir nun sofort den Krieg erklärn,
    wollen wir erst mal auf andre Art uns wehrn.
    Nun, geht es nicht mit Muskelkraft,
    mal sehn, ob Dynamit es schafft!»
    Man sieht dann eine Explosion und kurz darauf einen TV-Ausschnitt, in dem ein Feuerwehrmann eilig in den Laden läuft. Die Jalousie des Schaufensters ist herausgerissen, es liegen Scherben und kleine Trümmer auf dem Gehweg vor dem Geschäft. Über die Fernsehbilder hat das Trio den Zeitungsausschnitt «Opfer liegt im künstlichen Koma» montiert. Als Hintergrundmusik zu diesen Bildern wählen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe die lustige «Paulchen Panther»-Melodie. In dem Film taucht erstmals die Parole der braunen Zelle auf: «KEINE WORTE SONDERN TATEN – NSU WAS SONST!»

26
    Polenzstraße
    Die Wohnung in Zwickau, in die Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe im Sommer 2000 eingezogen sind, wird ihnen bald zu eng. Knapp 60 Quadratmeter sind zu wenig für drei Erwachsene, das merken die Bewohner schnell. Eine neue Unterkunft muss gefunden werden.
    Geld spielt keine Rolle mehr. Das Trio hat in den vergangenen zwei Jahren bei vier Überfällen auf Banken

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