Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
GRUNDLEGENDEN
ÄNDERUNGEN IN DER POLITIK, PRESSE &
MEINUNGSFREIHEIT VOLLZIEHEN,
WERDEN WIR UNSETE AKTIVITÄTEN WEITERFÜHREN.
GETREU DEM MOTTO «SIEG ODER TOD»
(Fehler im Original)
Als Erstes fügen Mundlos und Böhnhardt die Tafeln «NÜRNBERG 09. 09. 2000» und «KÖLN 19. 01. 2001» ein. Danach folgen ein Bild des erschossenen Enver Şimşek, das sie nach der Tat selbst fotografiert haben, Zeitungsausschnitte sowie der Tafeltext:
UND IHR WISST ES
JETZT AUCH
HEUTE IST NICHT
ALLE TAGE
WIR KOMMEN WIEDER
KEINE FRAGE
Musikalisch unterlegen Mundlos und Böhnhardt das Video mit Liedern der Rechtsrocker «Noie Werte». Die Neonazigruppe ist eine der ältesten Rechtsrock-Bands in Deutschland. Seit 1987 hat sie sechs Platten aufgenommen. Ihr bekanntestes Lied in der Szene heißt «Am Puls der Zeit».
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wählen für ihr Bekennervideo den harten, aggressiven Song «Kraft für Deutschland». Im Refrain des Stückes heißt es: «Wir brauchen Kraft für Deutschland! Kraft für Deutschland in der Schlacht, oh Deutschland! Kraft für unser Vaterland!» Die zweite Strophe sagt konkreter, gegen wen die Schlacht geführt werden soll: «Alle, die sich unsere Feinde nennen, die werden wir ewig hassen, und kämpfen werden wir gegen sie, bis sie unser Land verlassen!»
Nur zwei Wochen nach dem Mord in Nürnberg verlassen Mundlos und Böhnhardt ihr Zuhause in Zwickau und reisen nach Hamburg.
Es ist Mittwoch, der 27. Juni 2001. Vater Taşköprü und sein 31-jähriger Sohn Süleyman schließen um 9 Uhr ihren kleinen Lebensmittelladen im Stadtteil Bahrenfeld auf. Es ist eine spannende Zeit für die beiden Männer. Der Vater hat das Geschäft gegründet. Vor drei Monaten hat er damit begonnen, den Laden nach und nach an seinen Sohn Süleyman zu übergeben.
Der «Taşköprü Market» in der Schützenstraße liegt gegenüber dem Firmensitz der Hamburger Konservenfabrik Kühne. Das Lebensmittelgeschäft ist in dem flachen Vorbau eines weißen Altbaus unterbracht. Auf 20 Quadratmetern bieten die Taşköprüs Obst, Gemüse, Bier, Eis und alkoholfreie Getränke an. Vor der Fensterfront des kleinen Ladens haben die Besitzer Gemüsestiegen mit frischen Weintrauben, Blumenkohl, Tomaten, Zitronen, Mandarinen und Pflaumen aufgebaut.
Vater und Sohn bauen an diesem Mittwoch als Erstes die Gemüsestiegen vor dem Geschäft auf und füllen dann die Waren in den Kühlschränken auf. Zu diesem Zeitpunkt trinkt ein Streifenpolizist einen Kaffee im Geschäft. Als er geht, weist er die Ladeninhaber noch darauf hin, dass ihr Auto im Parkverbot steht. Vater Taşköprü setzt sich daraufhin gleich hinter das Steuer, er muss ja sowieso noch frische Oliven besorgen.
Kurz vor 11 Uhr kommen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in den «Taşköprü Market». Einer von ihnen trägt eine weiße Plastiktüte in der Hand. Ohne Warnung hebt er den Arm und schießt auf Süleyman Taşköprü, der hinter einem Tisch mit der Kasse steht. Der erste Schuss aus unmittelbarer Nähe trifft das Opfer mitten ins Gesicht. Das linke Ohr wird weggerissen. Er reißt seine Arme vor den Kopf hoch, um sich zu schützen. Dann stürzt Taşköprü zu Boden, schlägt mit dem Kopf auf ein Regal und bleibt auf dem Bauch liegen. Der zweite Täter richtet jetzt seine Waffe auf den Verletzten und schießt noch zweimal aus unmittelbarer Nähe in den Hinterkopf des jungen Mannes.
Bei solchen Nahschüssen auf Wehrlose spricht die Polizei von einer Exekution.
Als Vater Taşköprü um 11:15 Uhr mit den Oliven wieder in der Tür des Ladens steht, sieht er seinen Sohn auf dem Fußboden liegen. Um ihn herum hat sich bereits eine großflächige Blutlache gebildet. Sofort rennt der Vater aus dem Geschäft und ruft laut um Hilfe. Von der angrenzenden Metzgerei aus alarmiert er den Rettungsdienst.
Zurück im «Taşköprü Market» bettet er den Kopf seines Sohnes in seinen Schoß, drückt ihn an seine Brust und wartet, bis der Rettungswagen kommt. Später sagt er, er glaube, sein Sohn habe ihm noch etwas sagen wollen. Er stirbt in seinen Armen.
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Urlaub auf Usedom
Nach dem Mord in Hamburg fahren die drei in den Urlaub an die Ostsee. Vorher erbeuten sie bei einem Banküberfall im Juli 2001 in Zwickau noch fast 75000 DM, dann ist es so weit.
Sie rufen Holger G. an und fragen ihn, ob er sich vorstellen könne, eine Woche Ferien mit ihnen zu machen. Man verabredet sich, G. fährt mit dem Zug von Hannover nach Greifswald, dort holt ihn Uwe Mundlos am
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