Die Zen-Lehre des Landstreichers Kodo (German Edition)
sie nur von dem weltlichen Lohn sprachen, den man erlangen konnte, wenn man an sie glaubte. Sie hatten ebenfalls nichts mit meinem Leben zu tun. Ich entdeckte, dass die meisten Menschen niemals über die Frage des Selbst nachdenken, dass sie sich nie selbst fragen: „Was ist die Natur des eigenen Lebens, das auf dem Selbst gründet?“
In alten Zeiten dachten Japaner, dass Menschlichkeit und Gerechtigkeit, wie sie im Konfuzianismus betont wurden, der höchste Weg seien. Später, als der Buddhismus übermittelt wurde, dachten sie, Buddhas Lehren seien die wichtigsten, also folgten sie seinen Lehren, indem sie Nirwana suchten. Ich fühle mich dabei an einen jungen Mann erinnert, der keine passende Braut findet. Auch wenn er gezwungen ist, ein Mädchen zu heiraten, das ihm seine Eltern aussuchen, nährt er seine Illusion, er habe sie selbst gewählt und sie sei die bestmögliche Partnerin. Japaner wertschätzen alles, was ihnen überliefert wird, als das höchste. Sie bedenken nie das Leben des Selbst.
Ich halte einmal im Monat in Kioto einen Vortrag übers Shogobenzo . Dogen Zenji benutzte oft den Ausdruck „Buddha-Dharma“, besonders im Shobogenzo. Ich bin enttäuscht, dass nur wenige der Kommentare und Vorträge, die auf seinen Schriften basieren, die Bedeutung von Buddha-Dharma diskutieren. Wenn Mönche und Gelehrte, die Dogen Zenjis Schriften kommentieren, auf diesen Ausdruck treffen, erleben sie eine Menge chaotischer Empfindungen und reden darüber als Objekt der Anbetung. Sie versuchen nie herauszufinden, was er wirklich bedeutet. Sie sehen Dinge nicht mit ihren eigenen Augen. Sie gehen nicht vom Selbst aus.
Früher waren Religionen geographisch beschränkt. Es gab Christentum im Westen, Buddhismus im Osten, Hinduismus und Islam dazwischen. Heute sind, neben den Hauptreligionen, unzählige neue Religionen hinzugekommen, die wie Wellen auftauchten. Sie entstanden, weil Religion ein sehr lukratives Geschäft sein kann. Nun, wo die Welt eine große Gemeinschaft wird, ist es in Bezug auf Religion so, als ob jemand in einen Bienenstock geschlagen hätte oder eine Spielzeugbox überreicht würde – Religionen werden wie Spielzeug überall verteilt.
Wir haben keine Messlatte, um eine wahre Religion bestimmen zu können. Es ist wie Shoppen in einem Supermarkt. Wir kaufen einen Gott, nachdem wir uns umgesehen und überlegt haben, wie viel Geld wir ausgeben können. Als Mittelschüler war ich schlau genug zu erkennen, dass das einzige, was ich tun konnte war, die Wirklichkeit meines eigenen Lebens zu leben. Zu dieser Zeit verstand ich jedoch nicht die Natur dieser Wirklichkeit.
Es gibt einen bekannten Ausdruck im Shobogenzo Genjokoan. „Den Buddha-Weg studieren heißt: das Selbst studieren.“ Als ich zum ersten Mal diesen Worten begegnete, sah ich, dass ich nicht der einzige Mensch war, der versuchte, sein Leben vom Selbst ausgehend zu leben. Dogen Zenji lebte auf diese Art. Auch Shakyamuni verließ sein Zuhause und wurde Mönch, weil er mit seinem bisherigen Leben Probleme hatte; er musste seinem eigenen Selbst folgen.
Später las ich auch das Shobogenzo Jishozanmai , wo Dogen Zenji von verschiedenen Dingen spricht. Am Anfang sagt er: „Wenn wir einem Lehrer oder einem Sutra folgen, folgen wir dem Selbst.“ Das bedeutet, wenn wir mit einem Lehrer üben, der uns auf dem Weg oder dem Studium der Sutren voranging, folgen wir nur dem Selbst. In Dogen Zenjis Worten: „Die Sutren sind von Natur aus die Sutren des Selbst. Der Lehrer ist von Natur aus der Lehrer des Selbst.“ Wenn wir mit einem Lehrer üben, ist der Lehrer „ich selbst“. Wenn wir ein Sutra studieren, ist das Sutra nichts als „mein eigenes Selbst“.
Dogen Zenji fährt fort: „Darum bedeutet viele Lehrer zu besuchen, das Selbst häufig zu besuchen.“ Früher reisten Übende in Bambus-Hut, schwarzen Roben und Strohsandalen, um Lehrer zu besuchen. Auf diese Art zu reisen, um einen wahren Lehrer zu finden, bedeutet das Selbst zu suchen. Sie hielten nicht an, bis sie den wahren Lehrer gefunden hatten.
Später sagt Dogen Zenji: „Verschiedene Gräser zu ergreifen bedeutet, das Selbst zu ergreifen. Verschiedene Bäume zu ergreifen bedeutet, das Selbst zu ergreifen.“ Das heißt, dass – wenn du irgendein Gras oder einen Baum ergreifst oder was immer dir begegnet – du nur dem Selbst begegnest. In diesen beiden Sätzen (Dogens) ist das wichtigste vollständig ausgedrückt. Alle Dinge existieren als meine
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