Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
machte mich mit Triss’ Hilfe am Schloss zu schaffen. »Vielleicht nimmt deine Schwester gern ein heißes Bad, während sie zusieht, wie irgendwelchen Leuten die Fingernägel ausgerissen werden.«
»Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich ihr so etwas nicht zutrauen würde. Oder ich könnte so tun, als wäre sie gar nicht meine leibliche Schwester.« Maylien schauderte und wickelte die Arme um den Leib. »Aber der Wahnsinn liegt meiner Familie im Blut. Erst mein Vater, dann meine Schwester und letzthin mein Onkel. Manchmal frage ich mich, wann es mich erwischen wird.«
Ich fühlte, wie das Schloss nachgab, und erhob mich. »Bisher scheinst du dich recht gut zu schlagen.« Das war keine angemessene Antwort, aber die Möglichkeit, dass sie recht hatte, war mir so erschreckend bewusst, dass mir nichts Besseres einfallen wollte.
Als ich gerade die Tür öffnen wollte, krachte von der anderen Seite etwas dagegen und knallte sie wieder zu. Ehe ich sie erneut aufdrücken konnte, verriet ein solider Rums, dass jemand einen schweren Riegel in seine Halterung hatte fallen lassen. Wieder sah ich mich zu dem kleinen Fenster um, konnte aber nichts entdecken.
»Triss«, sagte ich, während meine Gedanken vorausrasten, bemüht, ein Bild davon zu schaffen, welcher Widerstand uns erwarten mochte, wenn ich den Riegel für uns entfernt hätte – Armbrüste, bestimmt, vielleicht Woldos oder andere Stangenwaffen, wahrscheinlich ein Angriff von beiden Seiten ... »Du wirst ...«
Maylien zupfte an meinem Ärmel. »Ich störe ja nur ungern, aber gerade ist noch eines von diesen Dingern durch das Fenster gekommen.«
»Hab mich immer schon gefragt, wie das aussieht, wenn jemand von den lieben Tierchen in Stücke gerissen wird.«
Das Gesicht eines Mannes tauchte vor dem Fenster in der Tür auf und grinste uns gemein entgegen. »Du lieferst uns doch eine interessante Vorstellung, nicht wahr, Schätzchen?«
»Wie wäre es damit? « Maylien schlug mit der Hand gegendie Gitterstäbe und jagte einen magischen Feuerstoß durch die schmale Öffnung.
Der Mann auf der anderen Seite kreischte entsetzlich und verschwand aus meinem Blickfeld, was mich hinsichtlich des Auferstandenen auf eine Idee brachte. Ich ging quer durch die Folterkammer in Richtung Außenfenster.
»Pass genau auf, was ich mache«, rief ich über die Schulter, als ich hastig in Position ging.
Das Monster kam mir auf halbem Wege entgegen und stürmte in der gleichen eifrigen, machtvollen, dabei aber unkoordinierten Weise voran wie sein Vorgänger. Genau das hatte ich gehofft. Als die knochigen Hände nach meiner Brust griffen, packte ich die Handgelenke, ließ mich auf den Rücken fallen und zog das Ding mit mir. Es verlor das Gleichgewicht und fiel voran. Ich pflanzte beide Füße in seinen Bauch, hob es hoch und schleuderte es über mich hinweg durch die Luft. Mit dem Kopf voran landete es mit lautem Platschen in dem Kessel. Einen Moment lang ragten nur noch seine Unterschenkel in die Luft.
»Maylien«, rief ich, aber die hatte bereits vorausgeahnt, was ich von ihr wollte, und flutete das ölgefüllte Gefäß mit magischem Feuer.
Das Öl entzündete sich mit einem dumpfen Geräusch. Flammenspuren, hervorgebracht von dem Öl, das der Auferstandene verspritzte, strebten von dem Kessel aus. Brennende untote Hände durchstießen die Öloberfläche und umklammerten den Rand des Kessels. Maylien ergriff ein schweres Beil, das auf einem nahen Tisch lag. Mit einem heftigen Schlag trennte sie dem Ding die linke Hand ab. Solchermaßen aus dem Gleichgewicht gebracht, fiel der Auferstandene zurück in das brennende Öl. Als er einen Moment später wieder versuchte, herauszuklettern, amputierte Maylien ihm auch die rechte Hand.
Die brennenden Hände krochen langsam davon. Da ich sie mir genauer ansehen wollte, spießte ich sie auf das Ende einesSchwertes, statt sie einfach zurück in den Kessel zu werfen. Dieser Auferstandene – und ein eingehender Blick verriet mir, dass dies definitiv einer der Auferstandenen war – schien stärker verwest zu sein als sein Vorgänger. Das wenige Fleisch, das noch an seinen Knochen hing, spannte sich in streifenförmigen Bändern aus Muskeln und Sehnen. Die Fingernägel waren verschwunden, allerdings sah es aus, als hätte jemand die Fingerknochen spitz zugefeilt. Den Kopf in Augenschein zu nehmen war schwierig, da wir es nicht wagten, das Ding aus dem Kessel zu lassen, aber in den kurzen Augenblicken, in denen er über der
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