Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
der Auferstandene war nach seiner Zeit im Burggraben zu feucht, um wirklich Feuer zu fangen. Immer noch schreiend, drehte er sich um und wollte sich auf Maylien stürzen.
Nun zog sie ihr eigenes Schwert, eine schmale, dopppelseitige Duellwaffe, wie sie der Zhaniadel bevorzugte. Während sie dem Angriff auswich, führte sie einen Rückhandhieb gegen die Kreatur, woraufhin mehrere ihrer Finger mit einem Geräusch wie von einem irrsinnigen Hagel zu Boden fielen. Mir bot sich eine hervorragende Gelegenheit, dem Ding einen Dolch in den Nacken zu rammen, bemühte mich aber gar nicht. Hier war Hacken gefragt.
Was ich folglich wirklich wollte, war eine Axt. Da ich keine hatte, musste ich mir wenigstens eines meiner Schwerter zurückholen. Kurz und breit, wie sie waren, dürften sie erheblich wirkungsvoller im Einsatz gegen die Kreatur sein als Mayliens Duellwaffe. Ich stürzte voran und ergriff das Heft des Schwerts im linken Arm der Kreatur. Eine Hand am Heft, die andere an der Parierstange, setzte ich mein ganzes Gewicht ein, zerrte und drehte die Klinge hin und her.
Der Stahl bog sich beängstigend, ehe er mit einem Ruck freikam und mit leisem Summen wieder seine gewohnte Form bekam. Irgendwann im Zuge dieses Vorgangs erhielt ich einen scharfen Schlag an den Kopf, der mich davonkreiseln ließ. Rote Funken tanzten über mein Blickfeld. Ich kostete Blut in meinem Mund, das aus einer Wunde stammte, die ich mit den eigenen Zähnen in das Innere meiner Wange gerissen hatte. Hätte Triss nicht den größten Teil des Schlages abgefangen, hätte ich meinOhr verloren. Mir blieb gerade genug Zeit, ihm einen kurzen Dank zuzuflüstern, ehe der Auferstandene erneut anrückte.
Für einen wirkungsvollen Schwerthieb war ich in keiner guten Position, also drehte ich mich und trat dem Ding voll gegen die Brust. Ein Knie in der Leiste wäre einfacher und effektiver gewesen, wäre mein Ziel ein lebender Mensch gewesen, aber ich nahm nicht an, dass ich in diesem Fall viel damit hätte erreichen können. Was ich wirklich wollte, war, das Ding weit und lange genug zurückzutreiben, um nachzudenken. Das gelang mir mit einem Tritt in den Hintern, aber nur zu dem Preis, dass schmutzige Hände und untote Finger sich schmerzhaft in meinen Unterschenkel gruben. Triss war erneut zur Stelle und hüllte mein Bein in Schatten, und wieder konnte ich nur hoffen, dass das reichen würde, mich vor dem Fluch der Auferstandenen zu bewahren.
Als die Kreatur unbeholfen wieder auf die Beine kam, stürzte sich Bontrang von der Seite auf ihren Kopf und hieb mit den Schwingen auf sie ein, um gleich darauf abzudrehen, ehe sie auch nur versuchen konnte, ihn zu fangen. Einen Moment später überzog Maylien das Ding mit einer weiteren Ladung magischen Feuers. Knurrend drehte es sich zu ihr um, und ich sah endlich meine Chance gekommen.
»Triss, ich brauche eine scharfe Schneide!« Dann griff ich an, pflanzte die Füße auf den Boden und führte einen beidhändigen Schlag mit dem Schwert gegen den Hals des Untoten.
Es war, als hätte ich es mit einem Baumstamm zu tun. Der Aufprall war hart genug, dass meine Hände taub wurden und ich mir beinahe die Handgelenke verstaucht hätte, während das Schwert Anstalten machte, sich aus meinem Griff loszureißen. Aber Triss hielt stand. Nun, da die Essenz des Immerfinsters die Schneide meines Schwerts in einen Splitter todbringender Nacht verwandelt hatte, wurde die Klinge zwar langsamer, hielt aber nicht ganz inne, sondern pflügte weiter durch untotes Fleisch und Knochen und köpfte das Monster.
Nicht dass das gereicht hätte, es umzubringen. Der Kopf klapperte immer noch wütend um sich schnappend mit den Kiefern, als er davonrollte, während der Körper sich einfach weiter geradeaus bewegte. Es würde ein langes und heißes Feuer oder machtvolle und passend maßgeschneiderte Magie erfordern, dieses Ding gänzlich zu vernichten. Wir hatten weder Zeit für das eine noch für das andere, denn in diesem Moment prallte neben meinen Füßen der Bolzen einer Armbrust auf und zersplitterte am Boden. Einer der anderen Wachmänner war in Schussposition gelangt.
»Wir müssen Deckung nehmen!«, rief ich.
Maylien war unter dem niedrigen Fenster zum Kerker gelandet, dem sie sich nun zuwandte und Bontrang zu sich rief, während ihre Hände ein rasches, kompliziertes Muster abarbeiteten, das für den, der die Augen hatte, es zu sehen, ein reizvolles Liniengebilde aus magischem Licht hinterließ, welches an ein Abnehmspiel gemahnte.
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