Die zerborstene Klinge: Roman (German Edition)
Dann legte sie die Handflächen an zwei der Gitterstäbe und sprach ein Wort der Öffnung.
Als hätte jemand eine Flasche, gefüllt mit Donner, zertrümmert, brach an der Stelle, an der sie das Metall berührte, mit einem gewaltigen, erschütternden Krachen ein blaues Licht hervor. Maylien wurde zurückgeschleudert, fort von dem Fenster, genau zu dem Zeitpunkt, als sich die Gitterstäbe aus ihrer Verankerung losrissen und nach innen fielen. Ein zweiter Armbrustbolzen schlug an der Stelle auf, an der sie gerade noch gekauert hatte, als Maylien – die perfekt auf den Füßen aufgekommen war – schon wieder auf mich zukam.
»Los!«, brüllte sie. Also tauchte ich ab und glitt mit dem Kopf voran durch die Lücke, die sie in das Gitter gerissen hatte.
Sie folgte mir einen Augenblick später und fiel neben mir aus der Schusslinie. Ein zufriedenes Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie Bontrang anerkennend den Kopf kraulte.
»Ziemlich schicke Magie, so aus dem Stegreif«, bemerkte ich,während ich mich daranmachte, die Körperstellen zu untersuchen, an denen der Auferstandene mich berührt hatte. Hätte er Blut gefordert, so hätte die Wunde durch Feuer gereinigt werden müssen.
»Danke.« Maylien atmete abgehackt. »Bontrang und ich haben geübt, troztdem wünschte ich, es würde mich nicht so anstrengen – ich muss mich einen Moment setzen.«
»Wir sollten uns so oder so nach Auferstandenenkontaminationen absuchen«, entgegnete ich.
Maylien sprach weiter, während sie ihren Körper kontrollierte: »Diesen Bann hatte ich benutzen wollen, als ich dich aus dem Kerker in Tien holen wollte, aber dann hat Devin ein Netz über Bontrang geworfen, mir einen Schlag auf den Kopf versetzt und uns beide so mühelos davongetragen, als wären wir nur ein paar schlafende Kinder.«
Für einen Moment wandte ich den Blick ab. »Es tut mir leid, dass ich deine Spur nicht sofort aufnehmen konnte. Ich wollte, aber ich hatte einfach nichts mehr übrig, womit ich das hätte schaffen können.«
»Und ich hätte dich nicht gelassen, hättest du es versucht«, warf Triss ein, ehe er sich an Maylien wandte. »Aral war vollkommen erschöpft und wäre beinahe gestorben.«
»Das ist schon in Ordnung.« Maylien legte mir eine Hand auf die Schulter und drückte sie kurz. »So war es im Grunde am besten. Devin hatte haufenweise Fallen für dich ausgelegt. Er wollte dich unbedingt einfangen, aber er wollte nicht sagen, worum es ging. Er war richtig wütend, als du ihm nicht gleich gefolgt bist. Das hat seine Pläne durcheinandergebracht.«
»Weißt du, wie diese Pläne ausgesehen haben?«, fragte ich, während sich in meinem Inneren eine leichte Übelkeit bemerkbar machte – was hatte mir mein alter Freund noch antun wollen?
»Nein. Er hat sich nur ein bisschen darüber ausgelassen, dass du und Sumey ihm das Leben schwer machen würdet, aber erwar nicht dumm genug, in meiner Gegenwart irgendetwas Bedeutsames zu verraten. Tut mir leid.«
Inzwischen hatten wir unsere Suche nach fluchbeladenen Wunden abgeschlossen, und mir fiel auf, wie traurig sie aussah. Also legte ich meine Hand über ihre. Einen Moment saßen wir einfach schweigend da, dann entzog sie sich mir sanft. Ehe ich noch etwas sagen oder tun konnte, wurden wir gestört.
»Ich weiß nicht, wo sie hin sind.« Die Stimme kam von draußen, war aber sehr nah. »Dieser heftige Blitz hat mich geblendet, und als ich wieder sehen konnte, waren sie fort.«
»Verschwinde aus dem Hof, du Idiot«, brüllte jemand irgendwo von oben zur Antwort. »Da ist wieder eines von den Schoßtieren der Baronin aus dem Graben hierher unterwegs, und du willst bestimmt nicht mehr da sein, wenn es eintrifft.«
»Oh, Scheiße. Ich ...« Die andere Stimme steigerte sich zu einem Schrei und brach dann abrupt ab.
Mist.
»Ich glaube, es ist Zeit, dass wir weiterziehen.« Ich mühte mich auf die Beine. »Zu schade, dass wir die Gitterstäbe nicht wieder einsetzen können.«
Maylien nickte und folgte mir, als ich den Raum durchquerte. Neben den Duplikaten der Ausstattung der anderen Folterkammer gab es hier eine große Folterbank, eine eiserne Jungfrau und einen ölgefüllten Kessel über einem Feuerrost. Und gleich hinter der Tür entdeckten wir eine große, rote Marmorwanne und einen Kupferkessel zum Erhitzen von Wasser.
»Wozu zum Henker ist das?«, fragte Maylien.
»Ich weiß es nicht.« Nach einem Blick auf den leeren Korridor jenseits des vergitterten Fensters in der Tür bückte ich mich und
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