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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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bringen. Henry hatte es in den Frühjahrsferien auf einer Skireise mit seiner Jugendgruppe hinter sich gebracht, während Jake wie ein bescheuerter Siebtklässler unschuldig mit Johanna in Ithaca rumgeknutscht hatte. Aber wer sollte es bezeugen? Bloß weil Henry es behauptete? Das Mädchen in seiner Geschichte hatte nicht mal einen Namen. James wollte sich da nicht so genau festlegen. Daisy hatte darum gebettelt. Es war doch kein Ausnutzen, wenn ein Mädchen Sex mit einem haben wollte. Seine Mom sagte immer, du darfst ein Mädchen nicht ausnutzen, was aber, wenn ein Mädchen ausgenutzt werden wollte? Seine Mutter war immer noch so in den Siebzigern verhaftet, mit ihrem ganzen Quatsch über Feminismus und wie die Mädchen sich heute anziehen würden … Aber was ist, wenn ein Mädchen abgeschleppt werden will? Wenn sie drum bettelt? Hatte seine Mom sich darüber schon mal Gedanken gemacht?
    Er wäre nie auf die Idee gekommen, mit Daisy rumzumachen, wenn sie sich ihm nicht an den Hals geschmissen hätte. Das viele Bier. Und Scheiß-Audrey.
    Er dachte an Audrey, an den goldenen Ring an ihrem goldenen Bauch. Ohne zu überlegen, öffnete er den Reißverschluss an seiner Jeans, griff mit der Hand hinunter, und er kam frei, hart und glatt reckte er sich seiner Hand entgegen. Vielleicht fand Audrey ihn ja echt in Ordnung, weil er zu Daisy Nein gesagt hatte. Vielleicht hielt Audrey ihn für einen Widerling und eine trübe Tasse. Er hatte Daisy geschubst, er hatte Daisy von sich weggestoßen. Das hatte Audrey ganz bestimmt nicht gefallen. Dass ein Typ ein Mädchen wegstieß, würde niemandem gefallen. Mann, was war er doch für ein Idiot! Er versuchte, sich Audreys Gesicht in dem schrecklichen Moment vorzustellen, als seine Hände, nicht er selbst, sondern nur seine Hände Daisy gestoßen hatten, konnte sich aber nicht mehr erinnern. Er konnte sich nicht mehr an Audreys Gesichtsausdruck erinnern. Seine linke Faust bewegte sich jetzt schneller und schneller, ballte sich fester zusammen, und obwohl die Haut zu trocken war und seine Faust brannte, mochte er es in dem Moment so und hörte nicht auf, um Spucke hinzutun oder ein wenig Lotion zu holen. Vielleicht hatte es Audrey gefallen, dass er mit Daisy so grob umgesprungen war. Wer weiß? Sie mochte Luke. Und Luke war ein Penner. Luke schwenkte sie ständig in der Gegend rum. Vielleicht mochte Audrey es ja auf die schmutzige Tour.
    Jake kam in heftigen, wütenden Stößen, und dann war sein ganzes Bett voll mit dem ekligen Zeug. Er zog sein T-Shirt aus und rieb den Glibber damit weg, dann zog er das Bett komplett ab, steckte die ganze Schweinerei mitsamt den Boxershorts in seinen Wäschekorb und überlegte dabei, wie er die viele Wäsche seiner Mutter erklären sollte.
    Er stand auf, um saubere Laken aus dem Schrank zu holen. Dann zog er ein frisches T-Shirt, frische Unterwäsche und Schlafanzughosen an. Zum Schlafen war er aber viel zu aufgedreht. Also schaltete er den Computer ein und checkte seine E-Mail. Es gab eine Nachricht von Henry: »Sorry, sind ohne dich los, warst aber so beschäftigt …« Jake versuchte, den Tonfall zu entschlüsseln. Versöhnlich? Oder machte sich auch Henry über ihn lustig? Jake entschied sich für versöhnlich, weil er ihn brauchte, und schrieb zurück: »Penner. Lass mich das nie wieder machen.« Er klappte seinen Laptop zu und kletterte ins Bett. Dann stand er aber noch mal auf und ging wieder an seinen Computer. Googelte »Ithaca, New York«. Klappte den Laptop zu und legte sich wieder hin. Er könnte ja alte Spiderman-Comics lesen. Das könnte er, und er tat es, bis er endlich einschlief, und dann hörte er seine Mutter und Schwester nach Hause kommen.
    »War’s schön gestern Abend?«, erkundigte sich Jakes Mom, während Jake die Kühlschranktür aufmachte.
    Sie sah furchtbar aus. Ihre braunen Augen waren rot, ihre Haut grau und durchscheinend – er konnte die Adern an ihren Schläfen pochen sehen. Sie sah ein bisschen alt aus, ein bisschen so, wie sie vermutlich als alte Dame aussehen würde, das Haar zu so einem Dutt hochgedreht, das T-Shirt ganz verschwitzt und verkrumpelt. Seine Mom sah aus, wie sie jedes Mal aussah, wenn eins von ihnen die ganze Nacht mit Magengrippe auf gewesen war und sie ihnen den Kopf über die Kloschüssel gehalten und den Mund abgewischt hatte. Sie sah ein bisschen so aus, wie seine Oma ausgesehen hatte, bevor sie gestorben war. Jake wollte sie jetzt eigentlich nicht so gern anschauen.
    Also inspizierte er das

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