Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
Vom Netzwerk:
behaupte nicht, dass ich Zach Bledsoes Gerede verstehe.«
    »Für den einen«, sagte Henry, dem sein eigener Sermon sichtlich Spaß machte, »bist du wie gesagt das Opfer, für den anderen ein gemeiner Hurenbock. Ein Mädchen hab ich sogar gehört, die nannte dich ›unritterlich‹.«
    »Unritterlich?«
    »Ja, Mann«, sagte Henry. »Du weißt schon, Flegel. Rüpel, Lümmel, Stoffel.«
    »Stimmt ja wohl«, sagte Jake.
    »Welches Mädchen denn?«, erkundigte sich James, angelegentlich in der Nase bohrend, gelangweilt, aber interessiert.
    »Audrey«, erwiderte Henry.
    Als Jake in der Schule ankam, gab es erst mal allgemeines Schulterklopfen und ein paar feindselige Blicke. Einer seiner Lehrer, Mr Carmichael, begrüßte ihn herzlich, als Jake das Chemielabor betrat.
    »Wenn du mich fragst, Jake, wurde die ganze Sache maßlos aufgebauscht«, sagte Mr Carmichael. »Ihr Kids seid eben Kids – aufgeputschte Kids. Alle total aufgeputscht von der modernen Technik. Aber mich hat ja keiner gefragt, stimmt’s? Mich fragt ja nie einer. Meine Frau nicht, ihr als meine Schüler nicht, niemand in diesem gottverdammten Universum gibt einen Scheiß drauf, was ich denke oder was ich zu sagen habe.« Dann händigte er Jake die Hausaufgaben und Lernmaterialien aus, die dieser während der letzten zehn Tage verpasst hatte. So nett war sonst niemand. Seine Geschichtslehrerin, Ms Hemphill (die andere, die schwangere, war weg und kriegte gerade ihr Baby), wollte ihn im Unterricht nicht drannehmen, auch nicht, als Jake sich meldete. Beim Mittagessen war Jake der absolute Superstar. Alle umringten ihn. Zach Bledsoe boxte sich durch die Menge, um sich neben ihn zu setzen.
    »Was die nicht kapieren: Wir leben in einer postsexualisierten Welt. Du bist die Verkörperung des männlichen Wesens von heute, wirst begehrt, erjagt und dann zerkaut und wieder ausgespuckt, und dann behaupten die Weiber, du hast sie ausgenutzt. Männer dieser Welt, vereint euch!«, tönte Bledsoe.
    »Halt die Klappe«, sagte James.
    »Postsexuell?«, sagte Henry. »Was immer das sein soll, ich leide jedenfalls nicht drunter.«
    Alle lachten, auch Jake.
    Zach Bledsoe wurde rot. Seine Männertitten wackelten vor Wut, vielleicht war es auch Erregung, Jake war sich nicht sicher. Man konnte sie in seinem Jay-Z-T-Shirt rappeln sehen, wie Hamster im Käfig.
    »Wollt ihr wissen, was ich denke?«, sagte Davis.
    Alle wollten es wissen. Was Davis dachte, wollten immer alle wissen. Er war so ein loyaler, verlässlicher Kerl, und alle mochten ihn.
    »Ich glaub, Daisy hat die Sache selber in die Hand genommen. Und das können ihre Eltern nicht ab. Okay, in dem Video war sie sexy …«
    »Sexy? Das nennst du sexy?«, sagte Jonas. »Mir ist er beim Gucken total abgeschlafft.«
    »Fünfzig Mal ist er dir abgeschlafft?«, wollte James wissen.
    Jonas klatschte ihm einen auf die Backe, aber freundschaftlich.
    »Ihr wisst schon, was ich meine«, sagte Davis und sah die beiden nacheinander an. »Sie hat das gemacht, was die Leute früher privat gemacht haben, und zwar so, dass es dann scheißöffentlich wurde.«
    »Mit einem Baseballschläger?«, fragte Bledsoe. »So was machen die Leute?«
    »Du weißt schon, was ich meine«, versetzte Davis. »Ist das etwa eine Schande? Ich mein, wenn alle es plötzlich öffentlich machen …«
    »So was in der Richtung hat meine Mom auf der Rückfahrt von meinem Anwalt im Taxi auch gesagt«, meinte Jake.
    »Du hast einen Anwalt?« Jonas nickte anerkennend. »Ey, cool, Mann.«
    Davis sagte: »Das ist die Zukunft.«
    »Dass Kids einen Anwalt haben?«, fragte Jonas.
    »Nein, dass es öffentlich ist. Dass es die ganze Welt mitkriegt. Und wenn’s alle machen, wen juckt es dann noch? Ich mein, juckt es uns denn jetzt noch, ein paar Wochen später?«
    »Meine Mom schon«, sagte Henry. »Und die vom College auch.«
    »Mich auch«, sagte Jake.
    »Mein Dad meint, jetzt kriegt Daisy nie einen Job«, sagte Jonas. »Und meine Mom sagt, sie wird auch nie heiraten.«
    »Schau dir Monica Lewinsky an«, sagte Jonas.
    »Schau dir wen an?«, fragte James.
    »Die hat nie geheiratet, dabei war’s bei der gar nicht so schlimm«, erwiderte Jonas. »Sagt jedenfalls meine Mom. Und richtig fett ist die geworden.«
    Keiner sagte was.
    »Ihr wisst schon, was ich meine«, sagte Davis, obwohl sie es eigentlich nicht wussten, so sah es jedenfalls aus. Jake merkte, dass er auch nicht so ganz voll durchstieg.
    »Wenn man jetzt mal den Blamagefaktor weglässt«, sagte Davis, allmählich

Weitere Kostenlose Bücher