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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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tut mir leid, dass es auf meinem Computer war und ich dich damit allein gelassen habe. Das war mein Fehler, und es tut mir wirklich, wirklich leid, Coco.«
    »So was macht man nicht«, sagte Coco.
    »Stimmt«, sagte Liz. »Das Mädchen, das hatte vor sich selber keinen Respekt. Wir Frauen, wir sollten immer Respekt vor uns selber haben … Weißt du denn, was ich meine?«
    Coco vergrub den Kopf in Liz’ Schoß.
    »Weißt du denn, wie lieb ich dich hab?«
    »So lieb, dass du bis nach China gefahren bist«, sagte Coco. »Mehr als alles sonst.«
    »Rate mal, wer in ganz Manhattan den Dicksten hat?«, sagt Richard.
    Es ist etwa neun Uhr. Er ist nach seinem Drink spät nach Hause gekommen. Lizzie hebt den Blick von ihrem Computerbildschirm. Er steht in der Tür zum Schlafzimmer, in seinem blauen Anzug und Krawatte, die er jetzt lockert. Dann streckt er die Arme aus und wirft ihr sein strahlendstes Lächeln zu.
    Im Schlafzimmer ist es dunkel, und Lizzie reibt sich die Augen, während sie den Blick vom gleißenden Gegenlicht losreißt. Hastig klappt sie den Laptop zu.
    »Wo sind die Kinder?«, fragt Richard.
    »Jedes in seinem Zimmer«, sagt Liz.
    »Ich war heute ganz toll«, sagt Richard.
    Im Hintergrund ist der Fernseher zu hören. »Ist das Cocos Fernseher?«, fragt Richard. Lizzie hat sie wieder zu lange aufbleiben lassen.
    Als könnte sie seine Gedanken lesen, sagt Lizzie: »Ich weiß, es ist spät, Richard. Es sind aber bloß Zeichentrickfilme. Wir hatten ein langes Gespräch, das muss ich dir erzählen. Aber nach diesem schrecklichen, anstrengenden Tag dachte ich, ich gönn ihr den Spaß.«
    »Was hat Jake gesagt, als du nach Hause gekommen bist?«, wollte Richard wissen.
    »›Können wir das morgen besprechen, Mom? Bitte?‹«, zitiert ihn Lizzie. »Ich habe ihn ein bisschen erzählen lassen. Er ist ganz durcheinander, Richard. Und zerknirscht. Ich hab ihm gesagt, wir können das morgen alle gemeinsam besprechen, als Familie.«
    Sie zieht das Gummiband heraus und rollt ihr Haar beim Sprechen zu einem kleinen Knoten.
    »Dann habe ich ihnen was Feines zum Abendessen gekocht und versucht, wieder ein bisschen Normalität reinzubringen. Für dich ist auch noch was da, wenn du willst, im Kühlschrank.« Sie befestigt das Gummiband wieder und streicht sich kurz über die Haare. »Ich könnte mich zu dir hinsetzen.«
    Sie sieht total erschöpft aus. Aber sie bemüht sich. Richard sieht, dass sie sich bemüht.
    So wie es sich anhört, haben sich Lizzie und die Kinder abends irgendwann in ihr jeweiliges Eckchen zurückgezogen – Coco in ihr Zimmer vor den Fernseher, Jake höchstwahrscheinlich neben seinem Bett auf dem Fußboden ausgestreckt, um iPod zu hören, und Lizzie hier in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer, um leichtsinnig wieder das dunkle Zauberreich ihres Laptops zu betreten. Seit wann brauchen die eigentlich alle ihre Mediendröhnung?, überlegt Richard. Seit wann brauchen die einen Absacker?
    »Mach mal Licht«, sagt Lizzie.
    Richard tut es, dann zieht er die Tür zu. Er schwankt leicht und streckt die Hand aus, um sich an der Wand Halt zu verschaffen.
    »Das war aber ein langer Drink. Bist du betrunken?«, fragt Lizzie.
    »Nein, bin ich nicht«, erwidert Richard. »Ganz im Gegenteil.« Er versucht, aufrecht zu stehen, bleibt dann aber lieber an der Wand. »Na ja, vielleicht etwas angeheitert. Ich habe mit Scott ein paar Martinis getrunken und dann auf dem Nachhauseweg noch einen Kleinen gehoben zur Feier des Tages.«
    »Zur Feier des Tages?«
    »Wenn ich will, kann ich den Job haben.« Er fährt sich mit den Fingern durchs Haar, platzt beinahe vor Stolz. Es bringt aber nichts, wenn er seinen Stolz zeigt. Soll sie doch auf ihn zukommen. Soll sie doch von Ehrfurcht ergriffen auf ihn zukommen. Er schwankt wieder, lehnt sich gegen die Wand, baut sich so vor Lizzie auf, wartet auf ihre Reaktion.
    »Setz dich, Richard«, sagt Lizzie. »Du benimmst dich gar nicht wie du selbst.« In ihrer Stimme klingt Furcht an.
    »Wirklich?«, wundert sich Richard. »Ich finde, ich benehme mich absolut wie ich selbst, Lizzie.« Er lacht. »Ich werde Folgendes machen: Ich werde uns retten. Wir werden stinkreich sein.«
    Er grinst sie an.
    »Du führst dich auf wie betrunken, Richard«, sagt Lizzie. »Setz dich doch hin.«
    Sie versucht aufzustehen, um mit ihm auf gleicher Augenhöhe zu sein, hat aber keinen Platz zum Stehen, denn er ist direkt vor ihr und fordert ihre Zustimmung ein, ihre Dankbarkeit, ihre Bewunderung und ihr Staunen.

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