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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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recht. Ich hätte Coco nicht an meinem Computer spielen lassen dürfen. Ich hätte sie besser beaufsichtigen sollen. Ich war in letzter Zeit so zerstreut. Ich habe meiner Tochter nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt.«
    »Unserer Tochter«, sagt Richard.
    »Unserer Tochter.«
    Da beginnt das Telefon zu läuten. Sie ignorieren es beide.
    »Du hast recht. Ich hätte sie beschützen sollen … Das war unentschuldbar«, sagt Lizzie.
    Richard nickt zustimmend.
    »Ich brauche Hilfe. Hilf mir. Ich bin … ich bin … ich geh sonst unter. Ich weiß nicht, wie ich die beiden beschützen soll. Der Geist ist aus der Flasche – und in der Luft. Wie kann ich sie behüten?«
    Der Anrufbeantworter schaltet sich ein. Es ist Richards Stimme. Sie kommt ihm komisch vor, leutselig, selbstsicher, wie jemand ganz anderes. »Hier ist Familie Bergamot. Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht für Richard, Liz, Jake oder Coco …«
    »Als Jake in ihrem Alter war, hast du mit ihm gespielt. Ihr habt kleine Sachen gebastelt«, sagt Richard.
    Eine Frauenstimme spricht auf den Anrufbeantworter. »Liz, hier ist Sydney. Ich habe gerade mit Casey gesprochen und will dir bloß sagen, dass ich heute in der Schule nicht gesagt habe, du wärst high, sondern du würdest high aussehen … das war mitfühlend gemeint. Ruf mich an«, sagt Sydney. »Ich wollte es nicht in einer E-Mail schreiben.«
    »Du bist high zu Coco in die Schule?« Richard ist fassungslos.
    Im ersten Moment sieht Lizzie aus, als wollte sie davonlaufen. Doch Richard steht wie eine Wand vor ihr. Und zwingt sie, es einzugestehen.
    »Ich hasse es, dort hinzugehen, Richard«, sagt Lizzie. »Es ist, als wäre man auf dem Präsentierteller. Sie ziehen alle über uns her, zerreißen sich das Maul über Jake. Du weißt nicht, was mich das kostet jeden Tag, allein damit konfrontiert zu werden. Ich müsste eigentlich stärker sein, bin ich aber nicht.«
    Sie steht vor ihm, entblößt, als würde sie ihm ihr schlimmstes Geheimnis anvertrauen. Der Umgang mit anderen fällt ihr schwer, ist ihr schon immer schwergefallen. Das weiß er. Und diese Leute waren ja auch eine völlig andere Kategorie. Trotzdem hat er keine Lust einzulenken.
    »Unsere sechsjährige Tochter von der Schule abholen? Das schaffst du nicht?« Richards Stimme trieft vor Verachtung.
    Lizzie fängt an zu weinen. »Ich weiß, es hört sich jämmerlich an, Richard. Ich weiß, dass du jetzt genervt die Augen verdrehst. Ich komme mir ja lächerlich vor, es überhaupt auszusprechen.«
    Richard wartet ab, bis sie fertig ist. Und als er es nicht mehr aushält – dass sie bloß dasteht und schluchzt –, explodiert er förmlich.
    »Sag es doch einfach, Lizzie.«
    Sie fährt sich mit dem Handrücken über die Nase, wischt mit den Fingerkuppen ihre Tränen weg. »Ich weiß auch nicht, ich weiß, es klingt undankbar, und ich bin ja gar nicht undankbar, ich bin sogar sehr, sehr dankbar, Richard.« Sie schaut ihm in die Augen. »Es ist bloß … dieses schöne Leben … ich komm damit nicht klar«, flüstert sie. »Du hast so hart dran gearbeitet, um es aufzubauen, aber ich komm damit nicht klar. Und ich will es auch nicht.«
    »Du willst mich nicht, Lizzie?«, fragt Richard. Er spürt, wie ihm der Schweiß über den Rücken rinnt. Bekommt er jetzt gleich eine Herzattacke?
    »Ich will dich, Richard. Aber das alles eben nicht«, sagt Lizzie. »Es tut mir leid. Es tut mir wirklich aufrichtig leid.«
    Er wehrt sich gegen den heftigen Drang, ihr gleich eine Ohrfeige zu verpassen.
    »Soll das ein Witz sein?«, fragt Richard. »Was ist denn so schlimm an ›dem allen‹? Meinst du, ich würde nicht auch gern den ganzen Tag Yogakopfstand machen und meine Seelenwunden lecken? Meinst du, ich hätte mich während dem ganzen Schlamassel nicht auch lieber im Bad eingesperrt und einen Joint reingezogen?« Seine Stimme wird lauter. »Aber ich handle. Ich handle.« Er fährt sich wieder mit den Fingern durch die Haare. »Alles hängt an mir, schon seit jeher hängt alles an mir. Wer bist du denn mit deinem ewigen: eher doch lieber nicht? Werd endlich erwachsen, Lizzie.«
    »Leck mich am Arsch«, sagt Lizzie. »Leck mich doch am Arsch.«
    »Wieso habt ihr mich dann gekriegt?«
    Beide drehen sich um. Unbemerkt – wann? – war Jake ins Zimmer gekommen. Lizzie und Richard drehen sich beide zu ihm um. Er hatte sie offenbar streiten hören und steht jetzt in der offenen Tür.
    »Ist doch klar, du hasst mich, Dad. Ich hab euer Leben verpfuscht, ist doch

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