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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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Rückruf von Carmichael oder, so Gott will, des längst verschollenen Strauss, als er Lizzies bebende Stimme hörte. »Was ist, und wieso kannst du nicht selber damit fertigwerden?«
    Er hat jetzt keine Zeit, er muss unbedingt für Strauss erreichbar sein. Er muss sich auf das Treffen mit Scott Levine vorbereiten. Und Carmichael herumkriegen. Wieso zum Teufel hat Strauss noch nicht angerufen?, denkt er. Es ist schon fast fünf. Strauss hat den ganzen Tag nichts von sich hören lassen, was nichts Gutes bedeuten kann. »Und überhaupt, wieso kannst du denn mit gar nichts selber fertigwerden, Lizzie?«
    »Musst du dich eigentlich wie ein Arschloch aufführen?«, sagt Lizzie.
    »Musst du dich wie eine Zicke aufführen?«, kontert Richard. Ohne lange nachzudenken, schlägt er zurück. So hat er noch nie mit ihr gesprochen. Sie mit ihm auch nicht.
    Er hört Lizzie tief Luft holen, dann legt sie auf. Er starrt auf den Hörer in seiner Hand. Noch so ein erstes Mal. Dies ist anscheinend das Jahr dafür.
    Und da es das Jahr von Dingen ist, die zum ersten Mal passieren, lässt er sie erst mal schmoren. Dann meldet sich sein Gewissen, er nimmt den Hörer und tippt die Nummer von zu Hause ein.
    Sie lässt es läuten. Einmal, zweimal, dreimal. »Komm schon«, stöhnt Richard laut. Es läutet noch einmal, dann schaltet sich der Anrufbeantworter ein.
    »Lizzie, Liebling, geh dran«, sagt Richard. Er weiß, dass er aufgenommen wird. »Jetzt geh doch dran.«
    »Hallo.« Sie meldet sich. Er kann hören, wie sie sich bemüht, ihre Stimme zu kontrollieren.
    »Es tut mir leid«, sagt Richard. »Das hätte ich nicht sagen sollen. Es ist bloß … ich warte jetzt schon den ganzen Nachmittag auf einen Anruf, der immer noch nicht gekommen ist.«
    Schweigen.
    »Ich steh wahnsinnig unter Druck, Lizzie«, sagt Richard. »Und es würde mir wirklich sehr, sehr helfen, wenn du dich um die Sachen mit den Kindern kümmern könntest.« Er will, dass es geduldig klingt, hört aber selbst die Frustration darin brodeln. »Ich meine, so ist es doch abgemacht, oder?«
    »Abgemacht? Haben wir denn was abgemacht?«
    »Du weißt, was ich meine«, sagt Richard.
    »So habe ich es bisher aber noch nie betrachtet.« Lizzie scheint laut nachzudenken. »Aber … was die Kinder betrifft, mache ich doch sowieso schon das meiste. Ich bin wegen dir nach New York umgezogen, habe meine Karriere auf Eis gelegt, um dir zu helfen, deine aufzubauen … Ist es das, was du mit ›abgemacht‹ meinst?«
    »Jetzt hör aber auf«, sagt Richard. Als ob sie je echte Karrierechancen gehabt hätte. Als ob sie nicht schon immer eine ziemliche Dilettantin gewesen wäre.
    »Ich habe in Stanford promoviert, du hast in Stanford promoviert. Ich habe auf die Postdoc-Stelle an der Harvard verzichtet, damit du zur Weltbank konntest. Wer hatte denn die besseren Noten? Wer hat mehr Auszeichnungen bekommen?«
    »Die Postdoc-Stelle hast du abgelehnt, weil du schwanger warst«, wendet Richard ein.
    »Du warst es doch, der damals ein Baby wollte!« Liz ist so wütend, dass es sich anhört, als würde sie spucken. »Jemand musste sich ja um ihn kümmern.«
    Richard kommt sich vor, als stünde er beim Sprechen außerhalb seines eigenen Körpers. Als würde jemand anderes durch ihn sprechen. Die kalten, harten Fakten kommen aus seinem Mund wie durch einen Trichter.
    »In Wirklichkeit ist es doch so: Die finanzielle Verantwortung für die Familie lag damals und liegt doch auch heute bei mir. Ich konnte mir nicht wie du den Luxus leisten, hin und her gerissen zu sein. Und momentan stehe ich unter gewaltigem Druck, damit das Ganze weiterläuft. Da kann ich es nicht brauchen, dass du mich wegen jedem Problemchen anrufst.« Er holt Luft, dann gesteht er: »Die wollen mich nicht mehr dabeihaben, Lizzie. Kannst du dir vorstellen, wie sich das anfühlt?«
    »Sicher ganz furchtbar, Richard«, sagt Lizzie ruhig.
    Er schweigt. Er möchte ihr erzählen, was in ihm vorgeht. Gleichzeitig will er bei ihr Eindruck schinden. Sie trösten. Sie wissen lassen, dass alles gut wird.
    »Scott Levine hat mich aus heiterem Himmel angerufen. Er will sich mit mir auf einen Drink treffen. Wenn diese Sache nicht mehr klappt, gibt’s vielleicht bei Lehman eine Möglichkeit für mich. Ich habe gehört, die suchen einen Chefökonomen. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, mal richtig Kohle zu machen.«
    »Du willst Investmentbanker werden?« Lizzie klingt ungläubig. »Ich bin von Ithaca weggezogen, wo die Kinder in Sicherheit

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