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Die Zerbrochene Kette - 6

Die Zerbrochene Kette - 6

Titel: Die Zerbrochene Kette - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Herzen sah Rohana die kranke Frau an.
Also ist sie nach allem immer noch Comyn, immer noch
Telepathin; sie liest meine Gedanken mühelos. »Was
kann ich dir sagen, Melora? Du weißt ebenso gut wie ich,
daß eine Frau in diesem Stadium der Schwangerschaft nicht mehr so weit und so schnell reiten sollte. Aber andere Frauen haben Schlimmeres als das überlebt, um ihre Enkelinnen mit Geschichten über das, was sie durchgemacht haben, das Gruseln zu lehren. Und ich
werde bei dir sein.«
Melora umklammerte ihre Hand. »Besser du als das
schlechte Weib, das Jaelle ans Licht der Welt geholt hat.
Sie wollte mir nicht einmal die Hände losbinden…«
Ihre Fingerspitzen glitten wie in alter Gewohnheit über
die zackigen Narben an ihren Handgelenken. »Jalak
schwor, wenn ich ihm einen Sohn schenkte, würde er mir
geben, was ich verlange, ausgenommen meine Freiheit.
Ich dachte daran, den Kopf der Alten zu verlangen.« Rohana grauste es. Dankbar sah sie die Dicke Rima
näher kommen und sagte: »Hier ist unsere Hebamme;
sie wird für dich ihr Bestes tun, breda.«
Melora blickte zu Rima hoch, skeptisch und mehr als
nur ein bißchen verängstigt, wie Rohana deutlich spürte.
Aber sie sagte (und wieder erinnerte sie Rohana
schmerzlich an das fröhliche, anmutige Mädchen, das
Melora einmal gewesen war): »Ich danke Euch, mestra;
ich wußte nicht, daß es Freie Amazonen gibt, die einen
so weiblichen Beruf ergreifen.«
»Wir verdienen unser Brot mit jeder ehrlichen Arbeit,
Lady«, erwiderte Rima. »Habt Ihr wirklich geglaubt, wir
seien alle Soldatinnen und Jägerinnen? Das Gildenhaus
in der Stadt von Arilinn, wo ich gelernt habe, ist auf die
Ausbildung von Hebammen spezialisiert. Auch vergleichen wir alles, was über die Probleme der Geburtshilfe
bekannt ist, von Temora bis zu den Hellers, so daß wir
die besten Hebammen sind; sogar die Frauen von den
großen Gütern schicken manchmal nach uns. Und nun,
Lady, laßt mich sehen, wie weit die Sache gediehen ist
und wie lange Ihr voraussichtlich hier warten müßt.«
Kniend fühlte sie Meloras ganzen Körper mit sanften, geschickten Händen ab. »Nun, es ist ein kräftiges Kind,
und auch ein großes.«
Sie brach ab, weil Jaelle gerannt kam. Beim Sche in
des Feuers war zu sehen, wie blaß und angespannt das
Gesicht des Kindes war. »Mutter – oh, Mutter!« Sie
brach in Tränen aus.
Rima sagte fest: »Komm, mein Kind, das hilft deiner
Mutter nicht. Du bist schon fast selbst eine Frau; du
darfst dich nicht wie ein Baby benehmen und uns stö
ren.«
Melora richtete sich mühsam auf und stützte sich
schwer auf Rohana. »Komm, Jaelle. Nein, laßt sie zu mir
kommen, ich weiß, sie wird brav sein.«
Gegen ihr Schluchzen ankämpfend, kniete Jaelle sich
neben ihre Mutter. Melora nahm sie fest in die Arme
und sagte: »Es ist das alles wert gewesen. Du bist frei, du
bist frei!« Sie küßte wieder und wieder das tränennasse
Gesichtchen. Dann legte sie Jaelle die Hand unter das
zitternde Kinn und sah sie in dem wabernden Feuerschein lange an. »Du mußt jetzt gehen, mein Liebling,
und bei den anderen Frauen bleiben. Du kannst mir
nicht helfen, da überläßt du mich besser denen, die es
können. Geh, mein geliebtes Kind, versuche, ein biß
chen zu schlafen.«
Weinend ließ sich Jaelle von Gwennis in die Dunkelheit jenseits des Lagerfeuers führen. Rohana hörte das
Kind noch lange Zeit leise schluchzen. Dann war sie ruhig, und Rohana hoffte, sie habe sich in den Schlaf geweint. Langsam verging die Nacht. Rohana blieb bei
Melora, hielt ihre Hände, wusch ihr ab und zu mit kaltem Wasser den Schweiß vom Gesicht. Melora war still
und geduldig, tat, was ihr gesagt wurde, versuchte, sich
zwischen den Wehen auszuruhen. Manchmal redete sie
ein bißchen, und nach einer Weile merkte Rohana zu
ihrem Schrecken, daß Melora nicht mehr wußte, wo sie war und was geschah. Sie sprach mit ihrer eigenen Mutter, die seit Jahren tot war; einmal fuhr sie mit einem Aufschrei hoch und schrie Flüche in der Sprache der Trockenstädter; wieder und wieder schluchzte sie und flehte, sie nicht anzuketten, oder rief: »Meine Hände! Meine Hände!« Und ihre Finger wanderten zu den langen zackigen Narben an ihren Handgelenken. Rohana hörte ihr zu, murmelte beschwichtigende Worte, machte immer neue Anstrengungen, das Delirium zu durchdringen… Wenn Melora nur erkennen würde, daß sie hier und frei ist, hier bei mir … Sie setzte ihre ganze telepathische Kraft ein, um den Geist ihrer Cousine zu erreichen, aber alles, was sie

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