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Die Zerbrochene Kette - 6

Die Zerbrochene Kette - 6

Titel: Die Zerbrochene Kette - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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antwortete Kindra und zog sich zurück. Gwennis faßte in ihre Tasche und fragte lächelnd: »Hast du Hunger, chiya! Hier ist etwas Süßes für dich. Lutsche es, bevor du einschläfst, dann wird dein Mund in dieser Hitze nicht zu trocken.«
Jaelle lächelte Gwennis an. »Du wärest schön, wenn du dein Haar wachsen ließest.«
Rohana hatte das selbst schon gedacht. Gwennis antwortete mit freundlichem Lächeln: »Das mag sein, kleine Schwester, aber warum sollte ich schön sein wollen? Ich bin keine Tänzerin oder Schauspielerin oder Sängerin, daß ich auf Schönheit so sehr angewiesen wäre!«
»Aber wenn du schön wärest, könntest du eine gute Heirat machen«, behauptete Jaelle, »und dann brauchtest du dir deinen Lebensunterhalt nicht als Soldat oder Jäger zu verdienen.«
Gwennis lachte. »Ich möchte doch gar keine Heirat machen, nicht einmal eine gute.«
»Oh?« Darüber mußte Jaelle erst nachdenken. Es war ihr anzusehen, daß das ein ganz neuer Gedanke für sie war. »Warum nicht?«
»Aus vielen Gründen. Unter anderem«, erklärte Gwennis mit voller Absicht, »damit ich nicht in Ketten gelegt werde.«
Rohana empfand es wie einen Schlag. Jaelle hob die Hand an den Mund und biß sich in die Knöchel. Ihr Gesicht wurde erst weiß, dann färbte es sich mit einem verzweifelten, qualvollen Rot. Sie gab einen erstickten Laut von sich, drehte sich um, lief zu ihrer Mutter, warf sich auf der Decke neben ihr nieder und vergrub den Kopf in den Armen.
Gwennis sah fast ebenso bestürzt wie das Kind aus. »Meine Dame, es tut mir leid, ich hätte das nicht sagen sollen.«
Rohana schüttelte stumm den Kopf. Nach einer Weile erwiderte sie: »Es mußte ihr gesagt werden.«
Plötzlich hat Jaelle erfaßt, um was dies alles geht. Vorher war es für sie ein Abenteuer, ungefährlich, weil ihre Mutter dabei ist. Richtig verstanden hatte sie es nicht. Und jetzt – jetzt weiß sie es.
Und ein solcher Schock könnte bei einem Mädchen auf der Schwelle zur Frau… bei einem Mädchen mit einem außergewöhnlichen telepathischen Potential… Rohana war sich nicht sicher, wie sie zu dieser Überzeugung gekommen war. Was wird es ihr antun? Sie legte sich zu Melora und Jaelle in den Schatten. Melora schlief fest. Jaelle versteckte das Gesicht in der Decke; ihre Schultern bebten heftig. Rohana streckte den Arm aus, um sie an sich zu ziehen, um sie zu trösten, wie sie es bei einem ihrer eigenen Kinder gemacht hätte, aber Jaelle versteifte sich abwehrend. Da ließ Rohana sie in Ruhe. Ich bin ihr so gut wie fremd, dachte sie traurig. Ich kann nichts für sie tun. Noch nicht.
    4
    Drei Tage und Nächte waren vergangen, und Rohana hatte aufgehört, sich vor einer Verfolgung oder Gefangennahme zu fürchten. Wenn sie überhaupt verfolgt worden waren, hatten die Männer entweder die falsche Richtung eingeschlagen oder waren hoffnungslos zurückgeblieben. Vielleicht hatte auch Melora recht, und Jalaks Erben, die ihn tot oder verkrüppelt aufgefunden hatten, waren zu sehr damit beschäftigt, seine übriggebliebenen Frauen und sein Eigentum unter sich aufzuteilen.
    Der Charakter der Landschaft hatte sich allmählich verändert: Am ersten Tag hatten sie trockenen, brennenden, knirschenden Sand gesehen, unterbrochen nur von verkrüppelten Dornbäumen und federigen Gewürzbüschen; jetzt ritten sie durch endlose, weglose Meilen rollender Dünen, die von gräulichem Trockenland-Farnkraut bedeckt waren, aus dem hin und wieder ein scharfer schwarzer Fels hervorstach. Rohana erinnerte sich an die alte Sage. Als Zandru das Trockenland schuf, rebellierten sogar die Steine und durchbrachen die Oberfläche… genauso sieht es hier aus. Die Knochen der Welt weigern sich, in dieser kahlen Wüste bedeckt zu bleiben…
    Es war kurz vor der Dämmerung, und die länger werdenden Schatten milderten die Sonnenglut. Den ganzen Tag hatten sie kein lebendes Wesen gesehen, und Kindra hatte ihnen empfohlen, sparsam aus den Wasserschläuchen zu trinken. »Sollte uns irgend etwas aufhalten«, warnte sie mit einem Blick auf Melora, »erreichen wir das nächste Wasserloch heute abend vielleicht nicht mehr… und zuviel Vorrat mitnehmen können wir auch nicht.«
    Melora ritt unmittelbar vor Rohana, den Kopf gesenkt, schwer im Sattel hängend. Sie hatte kein Wort mehr gesprochen, seit sie den Ort ihrer Mittagsrast verlassen hatten, und als Rohana ihr die Stirn fühlen wollte, ob sie Fieber habe, hatte sie den Kopf weggedreht. Sie war nicht nur der Berührung, sondern auch

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