Die Zerbrochene Kette - 6
Terranern als körperlich schwach, einer Anstrengung unfähig. Sekundäre Implikation: Neid auf den Zugang der Terraner zu technischen Einrichtungen, auf die Bequemlichkeit des Lebens bei den Terranern? Aus der zunehmenden Häufigkeit von Witzen über Terraner, bei denen es meistens um den technischen Komfort geht, läßt sich schließen…
»Magda«, unterbrach Bethany sie, »Montray ruft an. Soll ich ihm sagen, daß du hier bist?«
Magda nickte. »Ich bin immer noch im Dienst.«
Bethany sprach in den Kommunikator, hörte eine Weile zu und sagte: »Geh rein.«
Montray in seinem Büro hatte für Magdas darkovanische Kleidung einen gereizten Blick. »Gerade hat ein Bote eine Nachricht aus der Comyn-Burg gebracht«, sagte er. »Einer der Bonzen da drüben – ein gewisser Lorill Hastur – hat nach mir geschickt und verlangt, daß Sie – Sie persönlich – zum Dolmetschen mitkommen. Ich nehme an, Ihre Freundin, die Ardais-Lady, hat von Ihrer vorzüglichen Beherrschung der Sprache berichtet. Jetzt habe ich ein Problem.« Er runzelte die Stirn. »Ich weiß recht gut, daß es nicht dem Protokoll entspricht und wahrscheinlich auch unschicklich ist, eine Frau als Dolmetscherin auf die darkovanische Seite mitzubringen. Andererseits ist es nicht gut möglich, ein Ersuchen der Comyn einfach zu ignorieren. Wer sind die Hasturs übrigens?«
Magda fragte sich, wie Montray ein ganzes Jahr lang auf Darkover leben konnte – und wenn es im terranischen HQ war –, ohne zu wissen, wer die Hasturs waren. »Die Hasturs sind die prominenteste der Comyn-Familien«, erklärte sie. »Lorill Hastur ist die eigentliche Macht hinter dem Thron. Von Aran Elhalyn, dem Prinzen, heißt es im Volksmund, er halte den Thron warm mit seinem königlichen Hintern, der der nützlichste Teil an ihm sei. Während der letzten zweihundert Jahre sind die meisten Hasturs Staatsmänner gewesen. Dieser Lorill ist der Erste Ratgeber – was etwa einem Premierminister entspricht, der außerdem die Macht eines Richters am Obersten Gerichtshof ausübt.«
»Ich verstehe. Dann ist es wichtig, ihn nicht vor den Kopf zu stoßen.« Montray betrachtete Magda finster. »Sie können als offizielle terranische Dolmetscherin nicht in dem Aufzug erscheinen, Lorne!«
Magda antwortete: »Ich bin sicher, er wird sie weniger brüskieren als die Kleidung, die ich normalerweise hier trage. Sie wissen doch, daß Darkovaner die übliche Kleidung einer Terranerin sogar für eine Prostituierte als unanständig ansehen würden?«
»Nein, das wußte ich nicht«, gestand Montray. »Da sollte ich wohl lieber auf Ihren Rat hören; Sie sind doch die Expertin für die Bräuche bei Frauen.«
Aber als sie an dem diensthabenden Raumsoldaten in seiner schwarzen Lederuniform vorüber das große Tor durchschritten, verfinsterte sich Montrays Miene wie der. »Sehen Sie, in welche Situation Sie mich bringen? Wahrscheinlich denkt er, ich hätte mir eine darkovanische Freundin zugelegt.«
Magda schüttelte den Kopf und erinnerte ihn daran, daß die Wachen der Raumpolizei sie kannten und daran gewöhnt waren, sie in darkovanischer Kleidung zu sehen; sie ging ja nie anders in die Altstadt. Zu spät fiel ihr ein, daß das nicht auf Darkovaner zutraf. Terraner waren in der Altstadt nicht gerade beliebt, und der Anblick eines Terraners, der eine anständige Darkovanerin begleitete, konnte tatsächlich zu Schwierigkeiten führen, falls irgendein darkovanischer Hitzkopf sich zu Tätlichkeiten hinreißen ließ.
Das ist idiotisch. Ich weiß fünfzehnmal soviel über Darkover, wie Montray jemals lernen wird. Und doch bin ich nach dem Protokoll nicht einmal als offizielle Dolmetscherin qualifiziert, ganz zu schweigen von einer gehobeneren Position, nur weil ich eine Frau bin und Darkover eine Welt ist, wo Frauen nicht in solche Positionen gelangen.
Deshalb bin ich durch Zufall der Geburt für immer von der Arbeit ausgeschlossen, die ich am besten verstehe, während ein Dummkopf wie Montray einen ausgebildeten Linguisten braucht, der seine Ansprachen schreibt, und zwei weitere, um ihn an der Hand zu halten, falls er sich verläuft oder hundert Meter außerhalb des Tors nach dem Weg fragen muß! Ich sollte Montray s Posten haben. Er ist nicht einmal für meinen geeignet.
Montray zitterte vor Kälte. Magda hatte kein Mitleid mit ihm. Er wußte, wie das Klima war; es war ihm erlaubt, sich entsprechend zu kleiden oder die Uniform auf geeignete Weise abzuändern, aber selbst dafür fehlte es ihm an Phantasie.
Ich
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