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Die Zerbrochene Kette - 6

Die Zerbrochene Kette - 6

Titel: Die Zerbrochene Kette - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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hinunter, daß sie den Mantel fester um die Schulter zog. Ich könnte von Glück sagen, wenn ich ein paar träfe!
Peter sagte immer, ich hätte ein Talent zum Bluffen. Aber ich gewöhne mich besser daran, unter seinem darkovanischen Namen an ihn zu denken.
    Nacktes Entsetzen packte sie, als ihr der Name einfach nicht einfallen wollte. Es dauerte nur ein paar Sekunden, und die Angst verging, sobald der Name in ihrem Gedächtnis aufstieg. Piedro. Das heißt, in den Hellers. Im Tiefland würde man ihn Pier nennen… Warum war diese Stelle in meinem Gehirn plötzlich leer?
    Eine Stunde nach Mittag kam sie an einer der Reiseunterkünfte vorbei. Sie war leer, und Magda zögerte. Die Versuchung war groß, über Nacht hierzubleiben. Aber sie hatte bereits einen halben Tag verloren, und im Hintergrund ihrer Gedanken war immer das auf Mittwinter befristete Ultimatum. Bis dahin mußte sie nicht nur in Sain Scarp eintreffen, es mußte auch noch genug Zeit für die Rückkehr nach Thendara sein, bevor die Winterstürme die Pässe schlössen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir den ganzen Winter auf Rumal di Scarps Türschwelle kampieren.
    Auch hatte sie keine besondere Lust, den Winter über allein mit Peter irgendwo festzusitzen. Früher einmal habe ich mir in Tagträumen ausgesponnen, irgendein Ereignis isoliere uns, so daß wir Zeit hätten, miteinander allein zu sein… Noch jetzt wäre es… angenehm… Entgeistert befahl Magda sich, mit diesen Gedanken aufzuhören. Halb ärgerlich fragte sie sich, ob Bethany doch recht habe: Liebte sie Peter immer noch? Ich hätte mir nach unserer Trennung auf der Stelle einen anderen Liebhaber nehmen sollen. Chancen hatte ich, weiß Gott, genug. Warum habe ich es eigentlich nicht getan?
    Sie studierte die Anzeigetafel und entdeckte, daß es einen halben Tagesritt entfernt eine weitere Unterkunft gab. Als sie der Hütte den Rücken kehrte, überkam sie wieder das merkwürdige, fast körperliche Prickeln der »Ahnung«, aber sie entschloß sich grimmig, nicht abergläubisch zu sein. Ich habe Angst weiterzureiten, deshalb finde ich Gründe hierzubleiben und nenne es übersinnliche Wahrnehmung!
    Der Weg wurde steiler und der Boden rauh. Mitte des Nachmittags hingen die sich verdichtenden Wolken so niedrig, daß Magda durch eine dicke weiße Nebeldecke ritt. Die trübe graue Welt war voll von Echos; sie hörte den Hufschlag ihres Pferdes hinter sich und vor sich, als habe sie unsichtbare, geisterhafte Gefährten. Das Tal und die niedrigen Hänge waren verschwunden. Sie ritt allein auf einem schmalen Pfad oberhalb der bekannten Welt. Magda hatte nie unter Höhenangst gelitten, doch nun begann sie sich zu fürchten: vor der Enge des Pfades und vor dem weißen Nebel, der sie ringsum einschloß und alles mögliche verbergen mochte – oder noch schlimmer, nichts. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu den Felsen und Klippen unter ihr zurück. Wenn ein Tier einen falschen Schritt tat, konnte es den Weg verfehlen und sich auf den unsichtbaren Felsen weit unten zu Tode stürzen…
    Mit zunehmender Dunkelheit löste sich der Nebel zu feinem Regen auf, der in dichten, schnell fallenden Schnee überging und Weg und Landmarken auslöschte. Der Schnee gefror im Fallen, und das Eis am Boden knirschte und krachte unter den Hufen des Pferdes. Der Wind heulte durch die Bäume, und wo sie lichter standen, röhrte er quer über den Pfad und trieb Magda Eisnadeln in Gesicht und Augen. Magda schlug den Mantelkragen hoch und wickelte sich ein Ende ihres Schals um Nase und Kinn. Aber von der Kälte fing ihre Nase an zu laufen, das Wasser fror auf Nase und Mund und verwandelte den Schal in einen Eisblock. Schnee klebte an ihren Wimpern und gefror dort, und bald sah sie kaum noch etwas. Ihr Pferd glitt auf dem eisigen Weg aus, und Magda stieg ab, um das Pferd und das stolpernde Packtier zu führen. Sie war froh, daß sie kniehohe Stiefel trug; die weichen, flachen Sandalen oder die knöchelhohen gebundenen Mokassins einer Frau wären sofort durchgeweicht gewesen.
    Ich hätte in der letzten Unterkunft bleiben sollen. Darum ging es bei der Ahnung. Verflucht, hätte ich nur auf mich gehört!
    Ihre Füße froren, und sie fragte sich, ob ihre Wangen und ihre Nase Frostbeulen bekämen. Für gewöhnlich störte Kälte sie nicht, doch jetzt fror sie bis ins Mark. Ihre dicke, pelzgefütterte Jacke und der Mantel wärmten sie ebensowenig wie ein flatterndes Seidengewand.
    Sie durfte sich nicht fürchten. Ihre Lehrerin im

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