Die Zerbrochene Kette - 6
habe jedoch kein Interesse an einer Ausbildung gehabt. Als Magda ihr von Rohanas Bemerkung erzählte – sie scheine selbst Laran zu haben –, verstummte Jaelle und ließ sich kein Wort mehr entlocken.
Am Nachmittag brachte eine von Rohanas Frauen die versprochenen Festkleider. Magdas war ein rostfarbenes Gewand mit schmalem Zobelbesatz und mit goldener Seide gefütterten Schleppärmeln. Es war eins der hübschesten Kleider, die sie je gesehen hatte, und paßte ihr ausgezeichnet. Sie bürstete ihr glattes dunkles Haar und dachte bedauernd an die silberne Schmetterlingsspange, die sie nie wieder tragen würde.
Jaelle erkundigte sich: »Hält man kurzgeschnittenes Haar unter terranischen Frauen für eine Schande?«
»O nein. Die meisten Frauen im Dienst des Imperiums tragen ihr Haar nur wenig länger als die Männer. Aber ich habe die meiste Zeit meines Lebens auf Darkover gelebt und meins wachsen lassen, damit ich mich unbemerkt unter die Frauen hier mischen konnte. Deshalb bin ich an langes Haar gewöhnt«, erklärte Magda. »Ich habe geglaubt, Amazonen dürften keine Frauenkleider tragen. Ist dies nur eine Höflichkeit gegenüber Dom Gabriel, Jaelle?«
Jaelle lachte fröhlich. Sie hatte das zartgrüne Gewand angezogen, das Rohana ihr geschickt hatte. Wie sie sagte, war es für ihre Cousine angefertigt worden, Rohanas siebzehnjährige Tochter. Ihr Name war Elorie, doch sie wurde für gewöhnlich Lori gerufen. Nachdem es in der Taille ein bißchen enger gemacht worden war, paßte es Jaelle sehr gut. Sie bürstete ihr Haar zu einem Kupferhelm und befestigte es mit zwei länglichen goldenen Spangen aus ihren Satteltaschen. »Hast du gedacht, wir seien gezwungen, Hosen zu tragen wie die Männer, du dummes Mädchen? Wir tragen sie beim Reiten oder bei Männerarbeit, aber im Gildenhaus oder bei Arbeiten unter Dach und Fach ziehen wir an, was uns bequem erscheint. Es wird nicht von uns verlangt, eine bestimmte Tracht anzulegen. Wir weigern uns nur, die gesellschaftliche Regel zu akzeptieren, nach der es Frauen verboten ist, sich zweckmäßig zu kleiden. Das einzige, was uns durch unsere Charta verboten ist zu tragen, ist ein Schwert.« Wieder lachte sie. »Kindra hat mich manchmal gescholten, daß ich von dem Geld, das ich verdiene, soviel für Putz ausgebe. Ich habe wahrscheinlich ebenso viele schöne Kleider wie Rohana, wenn nicht noch mehr, weil ich niemandem Rechenschaft darüber schuldig bin, was ich mit meinem Geld anfange.«
Magda atmete auf. Obwohl sie keinen besonderen Wert auf Staat legte, wäre es ihr nicht sehr angenehm gewesen, den Rest ihres Lebens in grober, reizloser Arbeitskleidung verbringen zu müssen.
Als sie fertig waren und hinuntergehen wollten, stellte Jaelle entzückt fest: »Ich hatte keine Ahnung, daß du so hübsch bist! Zuerst sahst du wie ein halberfrorenes Kaninchen aus, und später war ich nicht mehr imstande, darauf zu achten.«
Magda war Jaelles erstaunliche Schönheit auch in der derben Amazonentracht nicht entgangen; in dem grünen Gewand war sie atemberaubend. Dies Urteil wurde bestätigt, als Peter sich ihnen im Flur vor ihren Zimmern anschloß; er sah Jaelle hingerissen an. Sie lächelte ihm scheu zu und schlug die Augen nieder. Der Gedanke, wie sie sich in ihrem kranken und schwachen Zustand an ihn geklammert hatte, setzte sie in Verlegenheit. Sie reichte ihm die Hand nicht, wie sie es so bereitwillig während ihrer Krankheit getan hatte. Seltsamerweise schuf die Unterlassung eine größere Nähe als die ungezwungene Geste. Damals reagierte sie auf ihn wie ein Kind. Jetzt ist sie sich sehr bewußt, daß er ein Mann ist und sie eine Frau, dachte Magda.
Peter sagte leise: »Ich bin sehr glücklich, daß du dich erholt hast, Jaelle.« Fast so befangen wie sie wandte er sich Magda zu und bot ihr seinen Arm. Sie nahm ihn, hauptsächlich, weil sie seine Anspannung spürte und es eine alte Gewohnheit von ihr war, seine Unschlüssigkeit zu kaschieren.
»Hast du bemerkt, wie ähnlich unseren eigenen Festbräuchen dies alles ist? Die Hallen sind mit Grünzeug dekoriert, das große Feuer, der Austausch von Geschenken – sogar der Duft nach Gewürzbrot!«
Magda wußte, in seiner Verlegenheit sprach er über das erste Thema, das ihm in den Sinn kam. Ein altes Gefühl wurde in ihr wach, eine Mischung aus Zärtlichkeit und Gereiztheit, ihr so vertraut, daß sie innerlich zitterte.
»Du bist schön, Magda. Aber ich vermisse dein prachtvolles langes Haar.« Er hob die Hand, um ihren bloßen Nacken
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