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Die Zerbrochene Kette - 6

Die Zerbrochene Kette - 6

Titel: Die Zerbrochene Kette - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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auf Magda, ohne sie wirklich zu sehen.
»Blickt nicht direkt in die Matrix, mestra. Viele Leute ertragen das nicht.«
Magda wollte sich umdrehen, doch es fesselte sie zu sehr, was da vor sich ging. Hokuspokus natürlich – aber was werden sie damit Jaelle antun?
Rohana beugte sich über Jaelle. Sie ignorierte Peter, der immer noch auf der anderen Seite des Bettes kniete und Jaelles Hand hielt. Ihre Augen hatten sich wieder geschlossen. Rohana ließ die Fingerspitzen über Jaelles Gesicht gleiten, ohne es richtig zu berühren, über die entblößte Schulter und die geschwollene, schrecklich eiternde Wunde dort. Magda hatte den Eindruck, als folge Rohanas Händen eine Lichtspur und beginne, auf Jaelles Haut zu leuchten… Als könne ich die Knochen durch die Haut sehen…
Rohana sagte: Nein, nicht die Knochen, das sind die Nervenströme, die darunter liegen… Aber Rohana hatte nicht gesprochen, nicht einmal den Kopf gehoben; sie beugte sich konzentriert über Jaelle.
Alida hielt den Edelstein mit einer Hand vor ihre Augen. Ihr Gesicht hatte eine fast unmenschliche Ruhe angenommen. Jetzt erkannte Magda um die beiden Wunden ein mattes Phosphoreszieren, eine Art Glühen um das entzündete Fleisch.
Alida sagte: »Jetzt!« Und Rohana begann, die Fingerspitzen entlang der Wunde an Schlüsselbein und Schulter zu bewegen. Sie berührte Jaelle nicht, doch während die zarten Lichtspuren ihren Fingern folgten, wirbelten dumpfe Farben in dem kranken Fleisch, das wogte und sich kräuselte. Das Rot der Entzündung verwandelte sich in Purpur und wurde dann fast schwarz. Die pulsie renden Lic hter im Fleisch trübten sich. Magda hielt den Atem an. War dies eine geisterhafte hypnotische Illusion? Blut tröpfelte aus der Wunde.
»Vorsichtig«, warnte Rohana mit tonloser Stimme.
Die zitternde Oberfläche der offenen Wunde wurde langsam blaß und wieder purpurfarben, und als die Lichter um sie aufleuchteten, rot. Und zuletzt zeigte sich ein glattes, gesundes Rosa…
Rohanas Hände wanderten nach oben und über die schreckliche offene Scharte auf Jaelles Gesicht. Alida hielt den blauen Stein nahe daran. Diesmal konnte Magda zusehen, ohne daß ihr übel wurde, und plötzlich wurde sie hineingezogen in das Geschehen. In einer merkwürdigen Doppelsicht erkannte sie jene Nervenströme unter der Haut, die zerfetzten und entzündeten Schichten von Haut und Muskeln und ausgetretenem Blut, das um das Auge ausgesickerte Gift… sie spürte in ihrem Inneren, was Alida tat: Die Leronis ließ ihr Bewußtsein tiefer und tiefer in die Zellen eindringen, wobei sie mit äußerster Behutsamkeit (Wie! Wie?) jede Zelle abtastete, so daß sie Blut und Gift buchstäblich als Druck gegen die Lichtlinien der Nerven spürte, die winzigen, zarten Membranen wahrnahm…
»Vorsichtig«, sagte Rohana wieder mit leiser, neutraler Stimme, aber Magda, die sich tief innerhalb von Alidas Wahrnehmungsvermögen befand, kam es wie ein
gellender Warnschrei vor. Mit unendlicher Zartheit zog
sich Alida von einem kleinen gerissenen Blutgefäß zurück, und Magda sah beinahe den glühenden inneren
Mechanismus des Augapfels und der Tränenkanäle,
dem das Gift so nahe, so gefährlich nahe war… Irgend
etwas in Magdas Gedächtnis sagte: Psychokinese, die
Kraft des Geistes, Zellveränderungen vorzunehmen. Sie
sah Jaelle wie aus weiter Entfernung. Als schwebte ich
an der Decke und blickte hinunter… Der Wechsel der
Perspektive war schwindelerregend.
Das kann ich auch, dachte Magda, und wie von selbst
richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf den heilenden
Riß in ihrem eigenen Arm, spürte die inneren Spannungen auf, zwang sie irgendwie in ihr Bewußtsein. Ein kurzer, heftiger Schmerz entstand außerhalb ihres Körpers
und verschwand spurlos…
Magda schüttelte den Kopf in dem Versuch, ihre Gedanken zu klären. Sie stand fest auf ihren eigenen Fü
ßen, und Alida hatte den blauen Stein verhüllt. Was
Magda sah, überwältigte sie. Über Jaelles Wange zog
sich keine scheußliche, eiternde Wunde mehr, nur eine
dünne rote Naht, noch zackig und roh, an der ein einziger Tropfen sauberen Blutes hing. Die Kerbe im Lid war
verschwunden, und das geschlossene Auge unter dem
Wimpernsaum war nicht mehr zugeschwollen.
Alida stieß einen langen, müden Seufzer aus. Mechanisch schob Magda ihren Ärmel hoch und betrachtete
verwirrt die Stelle, wo die vergiftete Klinge ihren Arm
geritzt hatte. Die feste weiße Narbe sah aus, als sei sie
seit langem geheilt. Habe ich es geträumt?
Alida schob

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