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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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dessen zu sein.
    Sechs Männer wurden gefangengenommen, und Tomke war nun bereits an ein drittes Schiff gelangt.
    „Danke, Herzog von Pappelheim“, grinste sie.
    „Wir können nicht sicher sein! Wenn es Sachsen waren, wird es bekannt werden, und keiner wird mehr mit uns handeln!“, begehrte Eiken erneut auf.
    „Es waren keine Sachsen. Sei kein Narr!“ Wütend starrten die beiden sich an, bis Tomke sich abwandte und dem Trupp mit den Gefangenen ins Dorf folgte. Die Dunkelheit brach herein, und ich begann, mich elend und krank zu fühlen.
    Stand wirklich jemand hier mit dem Herzog in Kontakt? Mit dem diabolischen Professor? War es Eiken? Đomas? Oder einfach jemand, der mir noch niemals aufgefallen war? Der mir nur hinter meinem Rücken böswillige Blicke zugeworfen hatte?
    Eiken drehte sich – wie zur Antwort – auf dem Absatz seines Stiefels herum und schlug mir die Faust ins Gesicht. Ohne ein Geräusch sackte ich zu Boden. Der Schmerz brauchte recht lange, um mich durch das dumpfe Gefühl der Schwäche hindurch zu erreichen. Ich stöhnte auf. Er trat zweimal nach und hockte sich dann über mich, spuckte mir einen langgezogenen Faden ins Gesicht.
    „Menschen sind gestorben wegen dir, aarem Knech!“
    Ich schützte Ynges empfindliches Gesicht mit meiner Hand. Ich sagte ihm nicht, dass ich es nicht gewollt hatte. Ich sagte ihm gar nichts und schluckte das Blut, das aus den Wunden in meinen Lippen quoll.
    „Ein Kind im Dorf ist verbrannt, du erbärmlicher Wicht! Ein Kind!“ Er packte mich an den Schultern und schüttelte mich, dass mein Kopf hin und her flog. Ich presste die blutigen Lippen aufeinander und ließ es geschehen.
    „Sag was! Sag was, du verdammter Bastard, du Hurensohn, du Mörder, du kranker Mensch!“
    Er hörte auf mich zu schütteln, ich sackte zurück in den pappig-feuchten Schnee. Ich atmete langsam, Luft bahnte sich pfeifend einen Weg in meine Lunge. Menschen beugten sich über mich, doch ihre Gesichter waren feindselig.
    Ich öffnete den Mund, die Worte kamen rau und schmeckten nach Blut: „Æsta den Tod.“
    Eiken wandte sich von mir ab, im Schnee kniend, und seine Schultern bebten, als könne er sich kaum kontrollieren.
    Friedrick, der sommersprossige Junge, war es, der die Hand ausstreckte und mir auf die Füße half. Eine ältere Frau, ausgezehrt und pockennarbig, stützte mich, beide nickten mir ermunternd zu.
    „Æsta den Tod. Æsta den Tod“, so stimmten sie mit mir überein. Das Meer rauschte gegen die Felsen an, und ich fragte mich, ob ich die Trümmerstücke der Jolle sehen würde, wenn ich an die Kante träte. Ob ich Eiken die Gelegenheit geben sollte, mich hinabzustoßen. Sie würden wohl alle schweigen, würden ihn nicht verraten. Würden darin übereinstimmen, dass ich gestürzt war oder den Tod gesucht hatte. Vielleicht sollte ich ihnen diese Genugtuung gönnen.
    „Hier geht es um dein Leben, Naðan“, flüsterte Ynge mit tränenerstickter Stimme. Sie schien von Eikens Angriff aufgerührter zu sein als ich.
    „Was ist mein Leben denn noch wert?“, fragte ich sie heiser. „Wenn dafür ein Kind verbrannt ist und ein halbes Dutzend andere unschuldige Menschen?“
    „Dein Leben ist das wert, was du damit anfängst. Du wirst schon sehen.“
    Die ältere Frau neben mir sah mich mit schmerzhaftem Gesichtsausdruck an, tätschelte dann jedoch meine Hand. „Fosite weiß es. Er spricht Recht“, sagte sie mit rauer Stimme. „Wenn du lebst, dann, weil Fosite es will.“
    Fositeslun. Seine Insel. Vielleicht war es tatsächlich so. Ich bekreuzigte mich vorsichtshalber, doch ich sah auch hinab auf den festgestampften Schnee, der Helgolands Erde verbarg.

    Ich hatte meinen Kiefer mit Schnee gekühlt, und langsam fühlte ich mich innerlich und äußerlich auf den absoluten Nullpunkt abgekühlt, obwohl dies dem dritten Hauptsatz der Thermodynamik widersprach.
    Was Roþblatt wohl für eine kranke Metapher auf die menschliche Gesellschaft aus diesem Satz ziehen würde? Ich hatte mich dem heiligen Hain aus gebeugten Sträuchern und krüppeligen Kiefern soweit genähert, wie ich es wagte. Er befand sich am tiefsten Punkt des Oberlandes und allerlei heiliges Getier konnte sich hier frei bewegen. Jedoch gab es einen Stall, dessen Krippe mit Heu gefüllt war, und in diese gnädige Gefangenschaft zogen sich die Ziegen und Schafe und die wenigen Rinder nur zu gerne zurück. Ein Hirte umsorgte die dem Fosite geweihten Tiere, und mir wurde bewusst, dass Pastor seine lateinische Bezeichnung

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