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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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einbaufertiges Zubehör wie Schrauben, Rohre, Verstrebungen. Die Friesen hatten kaum die Möglichkeit, Ersatzteile und Technik der Luftschiffe hier auf Helgoland selbst anzufertigen. Ich trat an Tomke heran, die gerade die Vertäuung des Luftschiffes, das eine erste Runde über die Insel gemeistert hatte, überwachte, und breitete einen von Æmelies Plänen aus – der Mensch mit den Flügeln.
    „Könnt ihr etwas von diesen Dingen entbehren?“, fragte ich Tomke, doch sie runzelte die Stirn und wies auf jene Mechanik, die ich in meinem Traum bewundert hatte.
    „Das hier? Ich fürchte, du hast deine Ziele zu hoch gesteckt.“ Spöttisch wurde ihr Lächeln, und ich mochte es nicht, wenn das geschah. Sie deutete auf die komplizierte Mechanik der Flügelsegmente, von denen ich geträumt hatte.
    „Anders geht es nicht. Der Luftwiderstand. Bei Vögeln geschieht es ganz ohne ihr Zutun auf die gleiche Weise“, versuchte ich mich in einem schulmeisterlichen Tonfall, doch sie nahm einen der anderen Pläne und entrollte ihn – es war die von ihr geliebte Flugmaschine, die mit einem großen, maschinenbetriebenen Rotor funktionierte. Sie seufzte, verwarf auch diesen Plan und entrollte nun den letzten, der bereits ein wenig lädiert war, weil er die anderen beiden meist außen umgab. Ich musste eine Hülle dafür beschaffen, aus Leder oder Öltuch.
    „Das hier. Das werden wir versuchen.“
    „Jetzt?“
    Sie sah sich um. „Warum nicht? Unsere Schiffe sind startklar und jederzeit bereit, es mit dem Herzog aufzunehmen. Was wir jetzt noch brauchen, ist ein Plan, der Æsta den Tod bringt. Die Tage sind länger, du bist genesen. Lass uns anfangen.“

    Ich konnte zu meinem Glück behaupten, handwerklich nicht ganz so ungeschickt zu sein, wie man vielleicht von einem in adeligem Hause geborenen Künstler hätte annehmen sollen. Dinge, die sich mit der eigenen Hände Arbeit vollbringen ließen, hatten stets mein Interesse geweckt, und letztlich war auch die Malerei zu einem großen Teil eine handwerkliche Tätigkeit, von Ausdrucksformen wie Kupferstichen und Holzschnitten ganz abgesehen. Bei Tomke musste man sich ohnehin fragen, warum der Herr sie als Frau das Licht der Welt hatte erblicken lassen, obgleich ihr diese Tatsache bei den Friesen nicht ganz so sehr im Weg zu stehen schien wie beinahe überall sonst auf der Welt. Unser Verhältnis zueinander wäre zudem einfacher gewesen, wäre sie einfach als Mann geboren worden. Hier an der Küste, im Schnee, während wir Werkzeuge herbeischafften und geeignetes Material hervorsuchten, waren wir wie Freunde, und lange war es her, dass der höhnische Blick ihr Lächeln bezwungen hatte. Dennoch blickte sie mich manchmal so an, mit einer bangen Mischung aus Freude und Verzagen, die ich nur zu gut einordnen konnte.
    Als wir vergeblich eine schmale Holzlatte zurechthobelten, die dann doch bei dem Versuch, sie bogenförmig zu spannen, zerbrach, sanken wir erschöpft in den Schnee. Ich besah meine roten Hände, die splitterübersät und zugleich verfroren und vom Arbeiten erhitzt waren. Sie lehnte sich zu mir herüber und zog einen Splitter aus meinem Daumen.
    „Wegen Eiken …“, begann sie leise.
    „Lass. Ich glaube, wir sind miteinander im Reinen.“
    „Es tut mir leid, dass ich dich mit ihm allein gelassen habe. Aber ich war so … wegen der Gefangenen und dem Luftschiff … ich habe gar nicht mehr auf ihn geachtet.“
    „Und auf dich offenbar auch nicht“, grummelte Ynge, die ich vorsichtig auf erhöhter Position in den Schnee gesetzt hatte.
    „Du musst nicht auf uns aufpassen. Dass du das Luftschiff enttarnt hast, war eine große Sache, und wir sind erwachsen.“
    „Ja. Erwachsene Männer“, sagte sie, als würde das Einiges erklären. Ich lachte, und sie lachte auch. Mit glühenden Wangen blickte sie mich an, und ich wich dem Blick aus.
    „Lass uns … weitermachen.“
    „Ja. Eine andere Latte muss her. Besser wäre wohl ganz anderes Holz, frisches – ein frisch gespaltener Stamm, wie man ihn für einen Bogen nimmt.“
    Ich blickte über das baumlose Oberland – weit nordöstlich erahnte ich den heiligen Hain mit seinen Bäumen, die kaum höher waren als Sträucher, und die wohl niemand jemals antasten durfte, um ein Fluggerät daraus zu bauen.
    „Ich werde bald aufbrechen, ich habe das schon vor Wochen geplant. Kein Wunder, dass Birke mir vorhergesagt hat, ich müsse mit Schwierigkeiten rechnen. Aber jetzt geht es endlich nach Hochgotland. Das ist eine Art Umschlagplatz

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