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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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wurde jedoch erneut von einer Salve des in seiner Schräglage gefangenen kleineren Luftschiffes getroffen. Auch die Frijheid taumelte nun dem Boden zu, versuchte, den Kurs noch zu steuern, sich aufs Land zu retten. Das große schwarze Schiff jedoch prallte seitwärts gegen die Steilküste, gegen Naðurn Stak, und brüllend, brennend und röhrend verendete es dort, als seine restliche Bombenfracht detonierte.
    Mit geballten Fäusten trommelte ich gegen den Mast – die Aufregung zuckte mir durch alle Glieder, Feuerregen ergoss sich über den Stak, dem wir uns mit unserem Segel unaufhaltsam näherten. „Wir müssen weiter weg!“, schrie ich – und bemerkte erst jetzt, dass Tomke, von einem Trümmerstück getroffen, bewusstlos vornübergebeugt im Boot lag. Wasser war bereits hereingelaufen und stand um unsere Füße, und mit einem furchtbaren Gefühl packte ich sie am Kragen und zog ihren tropfnassen Kopf hoch. War sie durch meine Nachlässigkeit schon ertrunken?
    Das jedoch wäre wohl kaum schlimm gewesen, würden wir doch nun jeden Moment an der Steilküste zerschellen!
    Während ich sie auf den Rücken legte, nach ihrem Puls tastend, grollte die Insel ihren Zorn heraus. Es gab einen Ruck, der sich bis ins Meer hinein spüren ließ, als die Landbrücke zum Stak hinüber nachgab. Felsbrocken, Felsplatten, Felsstücke lösten sich und polterten ins Wasser.
    „Tomke! Wach auf!“, brüllte ich und rüttelte sie. Eine erste Welle schüttelte unser Boot, eine zweite türmte sich auf, Trümmer mit sich bringend und den Zorn Fosites, dem die Insel geweiht war.
    Ich packte die Ruderpinne und brachte das schwankende Boot dazu, den Wellen nicht die Breitseite zu zeigen. Dann brach auch schon die kalte, nasse Wut der friesischen Götter über mich herein, durchwühlte mich, wälzte mich herum und ließ mich jeden gedachten Gedanken vergessen. Ich hielt die Luft an, hielt das Ruder fest, hielt Tomkes schmalen Körper mit meinen Füßen, meinen Beinen umklammert, damit sie nicht herausgespült wurde. Es war mir, als würde das Boot umgeworfen, als drehte es sich, als wende es sich hinab in gurgelnde Tiefen. Doch es tauchte wieder auf, Tomke, die Puppe und mich errettend, und als die Wellen, die Trümmer, das Feuer, die Felsen – als all das sich gelegt hatte und dem ewigen Einerlei der Gezeiten gewichen war, da atmete ich wieder und bemerkte erleichtert, dass ich noch lebte.
    Ich packte Tomke und zog sie an ihrer dunklen, wasserdurchweichten Lufthansejacke zu mir heran. Ich spuckte Wasser und beugte sie vornüber, damit ihr bewusstloser Körper es auch tun konnte.
    „Du lebst doch, oder? Du lebst doch?“
    Das Meer schäumte, Feuer glosten an der Küste. Tomke schnappte nach Luft und lag eine ganze Weile da und keuchte und übergab sich und wand sich in meinem Griff.
    Schließlich setzte sie sich, mit allen Gliedern zappelnd, auf und starrte den allein und aufrecht dastehenden Naðurn Stak an. „Da … da …“
    „Ja, ich weiß. Ein heilloses Chaos, und die Brücke ist weg“, murmelte ich und wiegte sie noch ein wenig im Arm, froh, am Leben zu sein.
    „Also …“, räusperte sie sich und sah mich streng an. „Ganz egal bin ich dir wohl doch nicht. Danke.“
    „Ich glaube, heute sind genug Menschen gestorben“, murmelte ich, als wir auf einen vorwitzigen Felsen prallten und kenterten.

Herren der Lüfte

    Aquarell
    S ag nicht, dass du gestorben bist“, hörte ich Æmelies ängstlich zitternde Stimme. Es war kalt. Ich war in eisiges Wasser gefallen. Ja, ich wusste es wieder – ich war aus dem Fenster in einen Kanal gesprungen, das Eis war geborsten, ich war beinahe ertrunken oder erfroren. Jetzt war ich vermutlich in einem Spital, in dem alle Ärzte nur Italienisch sprachen und wahrscheinlichniemals eine Universität von Innen gesehen hatten. Æmelie saß an meinem Bett und bangte um mich, und ich hatte einen langen, fiebrigen und sehr ausführlichen Traum durchlebt.
    Mit einem seligen Lächeln öffnete ich die Augen. Ynge lag auf dem Strohlager neben mir. Rauchgeschwärzte Balken ragten auf. Ein Feuer flackerte. Für ein Spital wäre dies eine Unverschämtheit. Mein Lächeln erstarb, und ich schloss die Augen wieder.
    „Gott sei Dank, du lebst!“, hörte ich Æmelies Stimme. Es war die Puppe, die sprach, und wenn sie mein eigener Verstand war, der mir Streiche spielte, dann sollte sie doch, gottverdammt, wissen, dass ich nicht tot war!
    „Ja, ich lebe“, knurrte ich. Ich erinnerte mich daran, dass ich mich an

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