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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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„Meine Tochter wird fliegen und niemand sonst.“ Er lachte und drückte Tomke an sich, die Jacke und Fliegermütze der Lufthanse trug, als wolle sie dadurch allein ihre barbarischen Götter beschwören, sie fliegen zu lassen.
    Während mehrere Männer die ächzenden und knackenden Flügel hochhielten, erprobte sie, sich an der Stange nach hinten zu werfen und ihre Beine auf zwei Querverstrebungen abzulegen, so dass sie nicht unter der Konstruktion baumelte, sondern horizontal darunter lag – dem Wind möglichst angepasst.
    Sie nickte, als sie es zum dritten Mal geschafft hatte – langsam hatte sich das ganze Dorf hier oben versammelt, Gemurmel und Getuschel wurden laut, und auch einige ermutigende Hochrufe. Zusätzlich zu den Dorfbewohnern waren mittlerweile insgesamt sicherlich einhundert Likedeeler hier – ich begegnete ihren Blicken misstrauisch, denn wer von ihnen mich an den Herzog verraten hatte oder es vielleicht noch tun würde, konnte ich beim besten Willen nicht sagen. Vielleicht waren es gar mehrere. Vielleicht bemitleidenswerte, arme Hunde ohne Rückgrat.
    Tomke trat an meine Seite und lächelte. „Das hier“, sagte sie, als habe sie meine Gedanken gelesen, „ist Naðan, den Herzog Erich von Pappelheim, Kanzler von Æsta, bei den Freien Friesen suchen lässt. Aus Hels Reich spricht seine erfindungsreiche Frau zu ihm durch den Mund einer Puppe. Diese Flugapparatur lobt sie weniger, als sie gelobt werden sollte, denn wir haben sie weniger gut nachgebaut, als ihre Gedanken es vorsahen. Der Grund, warum sie nicht selbst hier ist, um dieses Gerät zu bauen und zu erproben, ist, weil sie in Æstas Namen ermordet wurde, aus Habgier und Neid. Niemand von euch sollte den Lügen des Kanzlers Glauben schenken – ich weiß, dass jemand hier ist, der es bereits getan hat, doch er soll nichts fürchten, wenn er davon ablässt, diesen Lügen weiter zu gehorchen.“
    „Aber die Luftschiffe! Die Bomben!“, schrie eine erboste Frauenstimme, doch Tomke ließ sich nicht beirren.
    „Das war allein der Kanzler von Æsta, und er wird dafür bezahlen. Ich werde jetzt fliegen.“
    Die Huskarls des Redjevens stimmten Hochrufe an, in die die meisten anderen einfielen.
    „O Gott, bitte, lass sie jetzt nicht entsetzlich auf die Nase fallen“, flehte ich flüsternd.
    Zwei Männer an den Flügeln halfen ihr beim Anlaufnehmen. Sie warteten eine starke Windbö ab und rannten dann auf die Klippe zu. Ich schloss meine Augen und biss die Zähne zusammen. In einer abergläubischen Geste drückte ich zudem meine Daumen. Ein gebanntes, vielstimmiges „Ooh!“ ließ mich einen Blick wagen, und Tomke befand sich in der Luft, war über die Kante der Klippe hinaus gesegelt und jauchzte vergnügt. Die ganze Friesenmeute stürmte ihr hinterher, soweit es ging, doch nun trudelte sie bereits abwärts. Der vordere Teil der Flügel sackte niedriger als der hintere, und der allgemeine Laut des Staunens verwandelte sich in ein angstvolles Luftschnappen. Tomke zappelte unter dem Gerät, das nun nicht mehr auf dem Wind lag, sondern von diesem gebeutelt wurde, verlagerte ihr Gewicht, hangelte sich weiter nach hinten und ließ das Trapez los, um mehr Gewicht an den hinteren Teil des Gleiters zu hängen. Mit dem Ruck eines plötzlichen, wütenden Windstoßes vom Meer kippte er nun jedoch nach hinten, wurde vom Wind erfasst und gegen die Klippe geworfen. Ich hörte nur einen Schrei und den Aufprall eines Körpers. Vor mir waren sicherlich dreihundert Barbaren, die mir die Sicht versperrten.
    „Verdammt“, murmelte ich Ynge zu, und sie seufzte.
    „Es ist ein Prototyp. Wie die Erlenhofenzelle, sie hatte ja auch noch Macken.“
    „Aber sie hat niemanden in Lebensgefahr gebracht“, sagte ich und wurde mir sofort bewusst, dass ich mich irrte. „Oder vielmehr … auf andere Weise.“
    „Es ging nicht so tief hinab. Ich bin mir sicher, dass sie überlebt hat.“
    Die ersten waren zu Tomke hinuntergeklettert, ein Ruf gellte herauf, und ich erkannte Eikens Stimme: „Sie lebt!“
    Er war es natürlich, der sie auf seinen starken, mit Hautbildern bedeckten Armen herauftrug, obgleich sie sich wehrte und selbst laufen wollte. Trotzdem stöhnte und ächzte sie, als er sie auf eine ausgebreitete Decke setzte. Sie rieb sich den Kopf, sammelte sich einen Augenblick. Aller Augen waren auf sie geheftet, alle schwiegen. Schließlich rappelte sie sich auf, und sah mit leuchtenden Augen in die Runde.
    „Was glotzt ihr denn alle so? Ich bin geflogen !“ Sie

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