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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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hatte, und dass sie lachte. Aber die Zornesfalte war immer noch nicht ganz fort.
    Hoffentlich ging sie zu ihm zurück und ließ mich in Ruhe.

    „Morgen fahre ich weg“, hörte ich ein betrunkenes Flüstern durch den fauchenden Sturm.
    „Hm?“ Ich richtete mich aus einem unruhigen Schlaf auf. Jemand kroch auf allen vieren auf mein Strohlager und wollte sich unter meine Decke legen.
    „Das ist mein Bett!“, protestierte ich. „Hörst du denn nie auf, mir nachzustellen?“
    „Ich fahre morgen weg und will hier schlafen, weil wir uns morgen verabschieden müssen. Außerdem bin ich traurig. Weil ich dir egal bin.“
    „Herrgott nochmal, Mädchen“, wisperte ich. „Eiken bist du nicht egal.“
    „Eiken ist ein Arschloch. Dich mag ich so gerne.“
    „Aber ich will nicht, dass du hier schläfst!“
    „Aber ich schlafe doch nur. Ich will nur …“ Sie entriss die Decke meinem klammen Griff, kroch darunter und rollte sich zusammen wie eine Katze. „Ich will nur hier schlafen.“
    „Sie ist von allen guten Geistern verlassen, das arme Mädchen“, stellte Ynge ganz richtig fest. „Und völlig in dich verliebt.“
    „Das ist hoffentlich nicht wahr.“

    Am anderen Morgen fand ich mich mit einer nicht zu verachtenden Nackenverspannung an der äußersten Kante meines ärmlichen Strohsacks wieder. Ich fror, denn ich hatte kaum etwas von der Decke abbekommen, in die Tomke sich großzügig geschmiegt hatte. Ihr struppiges Blondhaar sah aus, als würde sie mit einem Kater aufwachen, und das tat sie auch, als ich mich regte. Sie stöhnte langgezogen.
    „Hell.“
    „Hier ist es nicht hell.“
    „Ich finde es hell.“ Trotzdem strahlte sie mich verschlafen an. „Es war gemütlich bei dir. Warm.“
    „Ganz und gar nicht“, entgegnete ich und rieb mir den Nacken.
    „Nun, ich reise heute ab. Dann hast du dein Bett für dich allein. Meins ist übrigens größer.“ Sie zwinkerte rasch und erhob sich dann. Ihr Haar stand in unmöglichen Winkeln von ihrem Kopf ab, und sie strubbelte mit den Fingern hindurch.
    „Fliegen, fliegen, fliegen“, sang sie, als sie zum Abtritt hüpfte. Ich schüttelte den Kopf.
    „Ich wünschte, ich würde auch wegfliegen.“
    „Bei Luftschiffen sagt man fahren“, korrigierte mich Ynge. „Aber dir würde ohnehin nur wieder übel.“
    „Sowieso will ich nicht mit ihr fahren. Nur, damit sie jeden Abend wie eine verwöhnte Katze … So etwas tut man einfach nicht!“
    „Da hast du recht“, bestätigte die Puppe und kicherte.

    Viele strebten zum Landeplatz, um Tomke und den Likede elern Lebwohl zu winken. Sie hatte fast nur Friesen mitgenommen, vermutete sie unter den anderen doch einen Verräter, und so waren viele Ehefrauen, Kinder, Eltern und Geschwister versammelt, um eine gute Reise zu wünschen. Wo Hochgotland lag, wusste ich nicht, sicher war jedoch, dass es nicht in der Ostsee auf dem verwüsteten Gotland lag – es hieß, es befinde sich auf dem unzugänglichen Gipfel eines Gebirges, ein wahres Nest für gesuchte Verbrecher, verbotene Waren und Gelichter aller Art.
    Als ich mich jedoch ebenfalls zum Landeplatz begeben wollte, um der verwöhnten Katze Lebewohl zu sagen, war Ynge verschwunden. Ich hatte meine gewöhnliche Kleidung wieder angezogen, die nach meinem Segelausflug gewaschen und geflickt worden war, und hatte Ynge wohl bei meinen geliehenen friesischen Kleidern zurückgelassen, als ich mich an einem wassergefüllten Becken waschen ging.
    Ich suchte sie – suchte in meiner Kleidung, in meinem Bett, suchte im Nebenraum, in dem ich mich gewaschen hatte, suchte unter der Essenstafel und den Bänken, fragte in gebrochenem Friesisch jeden, den ich finden konnte, ob er meine Puppe gesehen habe. Manche sahen so aus, als seien sie ganz froh, dass ich sie endlich los war, doch ich wurde immer panischer – das Herz schlug mir bis zum Halse, während ich meine Kreise ausdehnte und sinnlos in den Gassen des Dorfes zu suchen begann.
    „Sie starten jeden Moment!“, rief eine Frau zwei Kindern zu, und sie liefen zum Tor hinaus. Vom Tor aus beobachtete mich Wödas einzelnes Auge. Er war in den Pfahl hineingeschnitzt und blickte für gewöhnlich nach draußen, doch jetzt sah er mich an, das hätte ich schwören können . Vielleicht hatte der Wind den Pfahl verschoben? Oder fing er jetzt auch an zu reden?
    „Ynge!“, rief ich, und dem wortlosen Rat Wödas folgend, verließ auch ich das Dorf und rannte den festgetretenen Pfad entlang. Der Sturm hatte Schneewehen einstürzen

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