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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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hatten irgendwo weit oben auf einer Felsnadel gestanden, und sie fiel herab, fallend flatterte sie mit den Armen, doch ohne ihre Flügel konnte sie den Sturz nicht bremsen.
    Ich hatte das Gefühl, dass sie mir noch etwas hatte sagen wollen – ach, dass sie mir unendlich viel hatte sagen wollen, so viel wollte noch gesagt werden! Ich stürzte mich ihr hinterher, zog die Flügel eng an meinen Körper, so dass ich in die Luft hineintauchte wie ein furchtloser Falke.
    „Æmelie!“ Ich streckte meine Hände nach ihr aus, doch sie war so weit unten. Etwas knallte, Gestein splitterte, und ich wandte im Fallen den Kopf. Ein Luftschiff gaukelte durch den Æther – die Besatzung stand in einem Korb, wie bei einem Heißluftballon und hatte Musketen auf Æmelie und mich angelegt.
    „Feuer!“, kreischte der Kapitän.
    In die Mündungen starrend, die vielleicht fünfzig Meter von mir entfernt waren, versuchte ich, die Flügel auszubreiten, doch sie verhakten sich ineinander, das Sirren wurde zu einem stotternden Klacken, ich schrammte an den Stein, der nun unter den Schüssen zerbarst. Ich schrie, als ich getroffen wurde, als die Flügel zerfetzt wurden.
    „Flieg doch, Naðan!“, schrie Æmelie erbost, als ich ihre Gabe nicht zu nutzen wusste, doch da war ich schon tot.

    Die Schüsse gingen auch im Tod weiter. Ich öffnete widerstrebend die Augen und fand mich in einem Leben wieder, das grau, finster und kalt war wie ein Grab.
    Ach ja. Æsta . Wieder Schüsse? Wieder Unruhen? Hatte nicht das Tagblatt gemeldet, dass nun erst einmal alle Streiks und Streitigkeiten beigelegt waren?
    Die Nacht war nur noch eine graue Schattenminute von der Dämmerung entfernt. Elende Eisbergstadt! Ich sehnte mich nach Aquis zurück. Nach meinem Leben.
    Ob sich alle Toten nach ihrem Leben sehnen?
    Draußen schrien unzählige Kehlen – ein stotterndes Geräusch war zu hören, ein Dröhnen. Nun wunderte ich mich doch ein wenig. Gab es bereits einen Bürgerkrieg zwischen den echten Menschen und den Shellys? Zitternd öffnete ich das Fenster mit einem entschlossenen Ruck und lehnte mich hinaus, die Decke um mich herum wickelnd. Die Schreie waren keine Schmerzens- oder Angstschreie – es waren Rufe der Verwunderung, vielleicht sogar des Staunens.
    Als ich mich weit genug vorbeugte, um am vorspringenden Giebel vorbeizublicken, sah ich den Grund dafür: Zwei Luftschiffe, eines gespenstisch schwarz wie die Schiffe des Herzogs der Stadt, Erich von Pappelheim – in der Dunkelheit nur erkennbar an den Gaslampen, die der Besatzung die Orientierung ermöglichten – ein anderes weiß mit einem Wappen darauf, das ich nicht erkennen konnte. Die Besatzungen beider Luftschiffe beschossen sich mit Musketen, sie kletterten wahrhaft halsbrecherisch in den metallenen Verstrebungen und gar oben auf den Gashüllen herum.
    Das schwarze Luftschiff stieg – einer der Männer, die ganz oben positioniert waren, warf einen Brandsatz auf den weißen Gasballon hinunter, der zwar funkensprühend abrutschte, dann jedoch, bevor er in die leere Luft hinunterfiel, in einer grellen Stichflamme explodierte. Ein Loch wurde in die Seitenwand des Luftschiffs gerissen, Schreie wurden laut – sowohl an Bord als auch in den Straßen. Aus einer der Kammern entwich das Gas, doch es entzündete sich nicht. Triumphrufe verebbten, als es zu keiner Explosion kam.
    Schüsse durchsiebten einen der Herzogsmänner und schickten ihn taumelnd und kreischend hinunter auf das Pflaster Æstas. Es gab einen unangenehmen Laut, als er nur wenige Straßenzüge entfernt auf den Boden aufschlug.
    Das weiße Luftschiff versuchte nun, dem schwarzen, das der Wolkenkohle so ähnlich sah, zu entfliehen – doch mit einer zerstörten Kammer konnte das nicht gelingen. Die Dampfmaschinen wummerten, die Propeller gaben ihr Äußerstes. Ein weiterer Brandsatz der Aggressoren flog, landete jedoch explodierend auf einem Dach, das so nah an dem meiner Behausung war, dass wegspritzende Trümmer von Dachschindeln unweit meines waghalsig aus dem Fenster gelehnten Oberkörpers aufschlugen. Mit Herzklopfen zog ich mich zurück, lehnte mich gegen den Fensterrahmen und atmete heftig. Auf der Treppe trappelten Schritte, Schreie hallten aus der Luft und aus den Straßen. Ich musste mich wieder hinauslehnen. Schüsse – eine dritte Explosion folgte, kaum, dass ich erneut einen vorsichtigen Blick wagte. Wohl gezielt traf er die geleerte Kammer.
    Befehle schreiend begannen Männer wie Affen hinaufzuklettern, bevor der

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