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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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Nach dem Gesetz der Energieerhaltung muss er doch irgendwie mit … elektrischem Strom versorgt werden.“
    „Es gibt eine Galvanische Primärzelle.“ Er schob erneut den Lederschutz beiseite und präsentierte einen gewiss umständlich großen Zylinder aus Metall, eine Batterie, an der die Leitungen angeschlossen waren. „Ich muss sie wechseln. Mindestens dreimal am Tag, wenn ich mich viel bewege. Das geht ins Geld, das kann ich Ihnen sagen.“
    „Der Professor … Sie sagten, er forscht an neuer Technik. Forscht er … an der Brennstoffzelle? Der Galvanischen Gasbatterie?“
    Domek fixierte mich mit einem Blick, als falle gerade ein Vorhang von seinen Augen ab. „Der Erlenhofenzelle“, murmelte er, kaum hörbar, doch Ynge ruckte ihren Kopf zu ihm herum.
    „Was weiß ich. Er forscht an etwas Besserem als dem hier, und ich kann nur hoffen, dass es ihm gelingt.“
    Ein Blitz zischte durch den Raum und ließ mich zusammenzucken. Es war mir völlig entgangen, dass ein Herr mit einem photographischen Apparat sich neben uns aufgebaut und den Augenblick der Erkenntnis für mich festgehalten hatte. Ich wandte mich zu ihm um und dankte ihm mit einem Lächeln.
    Erneut wandelte ich wie auf einem Luftkissen durch den Raum. Professor Roþblatt. Die Erlenhofenzelle. Mechanische Gliedmaßen.
    Am Fenster stand die Dame mit dem ausladenden Rock. Sie sah hinaus in den Nachthimmel, als erwäge sie, das Fliegen zu erlernen. Ynge strampelte gegen meine Magengrube, als ich an die Dame herantrat. Sie drehte sich zu mir herum, ihr schwarzer Rock raschelte, der Reifrock schwang ein wenig.
    „Wer sind Sie? Ich habe Sie noch nie zuvor gesehen“, sagte sie mit einem winzigen Akzent oder Dialekt, den ich nicht einordnen konnte.
    „Ich bin Naðan“, sagte ich. „Ich bin Künstler.“
    Sie lachte, als hätte ich etwas Komisches gesagt.
    „Ich bin … Magda“, erwiderte sie und zwinkerte, als würden wir beide lügen.
    „Wollen Sie tanzen, Magda?“
    „Nein, keinesfalls. Ich möchte fliegen.“
    „Das habe ich vermutet, als ich Sie so gesehen habe.“
    „Tatsächlich? Dann sind Sie vielleicht wirklich ein Künstler.“
    „Vielleicht.“
    Wir schwiegen, und ich musterte ihr Profil. Sie hatte eine recht prominente Nase, ähnlich prominent wie ihr Rock. Ungerührt starrte sie weiter in die Nacht.
    „Sie sind eine Bekannte der Gräfin Elsbeð?“
    „Gräfin von Niederbroich. Sie würden Herzog Erich auch nicht Herzog Erich nennen, sondern Herzog von Pappelheim oder Kanzler von Æsta.“
    „Wird sie nicht von allen so genannt?“
    „Gewiss. All die hohen Herren besitzen die Unverschämtheit, sie bei ihrem Vornamen zu nennen, nur weil sie ihre Bedeutung innerhalb der Ränge der Stadt herunterspielen wollen. Aber ja, ich bin eine Bekannte von ihr.“
    „Ist Ihnen auch der Professor des hiesigen Spitals bekannt?“
    „Er ist mir bekannt. Soweit ich weiß, wird er noch erwartet. Eine unangenehme Person.“
    „Wie steht er zu den hohen Herrschaften, die hier anwesend sind? Zum Beispiel zu Herrn Hoesch?“
    „Warum wollen Sie das wissen?“ Sie wandte mir ihren Blick wieder zu und kniff die Augen zusammen.
    „Das Parkett der Politik will vorsichtig begutachtet werden, bevor man es betritt“, sagte ich unbestimmt und erntete ein neuerliches Lachen.
    „Ich weiß nichts über ihn, außer den Geschichten, die man sich erzählt.“ Abschätzend glitt ihr Blick über die Gesellschaft. „Er hat die Heilkunst bei den Chinesen gelernt, sagt man. Aber aus irgendeinem Grund ist er in China in Gefangenschaft geraten und kam als Wrack zurück nach Europa. In Frankreich ist er jahrelang in einer Nervenheilanstalt gewesen, und nun ist er nicht nur ein brillanter Mediziner, sondern auch ein Kenner der menschlichen Seele und des Geistes, weswegen sie ihn hier auf Æsta beinahe schon als Genie verehren. Aber Politik … ich wüsste nicht, dass ihn das interessiert.“ Sie fing mich mit ihren Augen ein. Sie waren grün gesprenkelt, als würde der Spott hindurchscheinen. „Was möchten Sie – ein Künstler – auf diesem Parkett anfangen?“
    In diesem Moment ließ die Uhr einen durchdringenden dröhnenden Gong hören und erlöste mich von Magdas viel zu klugem Blick. Alle Gäste verzogen sich an den Rand der Tanzfläche und ließen die junge Konstanze in der Mitte zurück. Der photographische Apparat ließ erneut sein Phosphor aufleuchten, als sie sich überrascht zur Empore umdrehte. Unter fortwährendem Geläut kam ihr Vater die Treppe

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