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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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herunterstolziert, und die Schläge zählend stellte ich fest, dass es einundzwanzig waren, dass zur Stunde sich nun also die Jahreszahl der Fabrikantentochter zur Volljährigkeit erfüllt hatte. Gleichzeitig wurden die Tücher, welche die Decke verhüllten, beiseite gezogen und etwas wurde sich um sich selbst drehend auf die Tanzfläche herabgelassen. Strahlend trat Herr Hoesch auf sein Töchterchen zu.
    „Liebste Konstanze!“ Von oben wirbelte dieses Etwas herab, das aussah wie ein Mensch, und kurz lähmte mich die Vorstellung, ein Shelly mochte dort heruntertaumeln, vielleicht gar einer mit Æmelies Gesicht oder Körper.
    „Bislang hast du dich gegen jede dir angetragene Verlobung zur Wehr gesetzt.“ Das Töchterchen wurde rot und kicherte.
    „Es gibt das Sprichwort, dass man manchen jungen Damen einen Mann backen müsse. Nun, backen kann ich leider sehr schlecht.“
    Aber er hatte ihr einen aus dem Fleisch Toter gebaut ...
    Zum Glück waren seine Worte andere. „Ich habe dir aber zumindest einen Mann gebaut, der ein hervorragender Tänzer ist.“
    Der Mann erreichte den Boden. Das Fräulein Magda schaute gar nicht hinüber, ich jedoch starrte gebannt die Kreatur an, deren Seile Herr Hoesch nun aus den Schlaufen löste. Es war ein Herr in feinstem Zwirn, die Haltung war die eines Tänzers, sein Gesicht war aus Porzellan wie das Gesicht Ynges, die Haare sprossen daraus zu einer formvollendeten Pomadenfrisur. Er lächelte mit rosigen Lippen.
    „Herr Vater!“, kicherte Konstanze. „Er ist gruselig!“
    „Er ist nur ein Spaß, mein Kind. Natürlich darfst du auch die Reise nach Italien antreten, die du dir so sehnlich wünschst. Aber nun komm herum, und bewundere deinen Tanzpartner.“
    Von hinten ragte ein Schlüssel aus dem Körper des Mannes heraus, den Konstanze nun mit gackerndem Lachen drehte, so dass ein großes, klackendes Uhrwerk im Inneren der Kreatur aufgezogen wurde. Zusätzlich irritierte an seiner Hinterseite ein drittes Bein, welches ihm als Verlängerung der Wirbelsäule spross und ihn nach hinten stützte.
    „Absurd“, flüsterte ich.
    „Lächerlich“, flüsterte Magda, die die Szenerie sehr wohl im spiegelnden Glas zu observieren schien.
    „Nun begib dich in Position, er ist ein hervorragender Walzertänzer!“, empfahl Herr Hoesch, und Konstanze stellte sich nach Atem ringend vor dem mechanischen Mann auf. Ein Tanzautomat. Die Musik setzte ein, und der Automat machte einen ausholenden Schritt, begann tatsächlich einen schwingenden, gleichmäßigen Walzer, bei dem Konstanze herumgewirbelt wurde, dass sie ein einziges Fliegen aus Röcken und langem blondem Haar war. Ihr Lachen war unüberhörbar, und alle starrten gebannt, bis sich auf ein Klatschen des Fabrikanten vereinzelt Paare zum Tanz fanden. Auch Frau Hoesch, eine graue, eingeschnürte, verhärmte Maus, die zu viele Kinder geboren hatte, trat hinzu und tanzte mit ihrem stattlichen Mann einen steifen Walzer. Als ich gerade Magda erneut um einen Tanz bitten wollte, öffnete sich die Tür zum Saal.
    „Das ist der Mann, auf den Sie warten, Naðan“, wich Magda meiner drohenden Aufforderung aus. „Professor Roþblatt.“
    Ich wandte mich um, und mit dem eiskalten Griff, der plötzlich mein Herz umschloss, wurde mir bewusst, dass der leibhaftige Teufel eingetreten war. Er stützte sich auf einen Stock, von dem ich wusste, dass eine Klinge herausschnappen konnte. Er blickte mit eiskaltem Blick durch sein goldumrahmtes Monokel, und ich wusste, dass mir schon einmal dieser Blick gegolten hatte.
    „Liebling, wollen wir uns nicht auf den Weg machen? Es ist spät, und vielleicht willst du über all diese freundlichen Angebote nachdenken?“, hörte ich meine eigene Stimme, und fühlte den Blick durch das Monokel. Er war in Venedig gewesen. Er hatte Æmelie gedrängt, und sie hatte nicht nachgegeben, war sich der Rückendeckung durch die Münchnerin und das Haus Pommern bewusst gewesen. In der Nacht hatte er sie getötet, hatte all die Pläne mitgenommen und ihren Leichnam. So musste es gewesen sein. Ich schwankte.
    „Ruhig Blut, Naðan“, sagte Ynge – oder war es Magda? Sie jedenfalls fasste meinen Arm, als ich nach hinten taumelte und mich an der Wandvertäfelung wieder fing.
    „Du kannst dir nicht sicher sein.“
    „Der Stock, Ynge. Der Blick. Er ist es. Er muss es sein.“
    „Ich heiße Magda“, sagte die Frau mit dem majestätischen Rock.
    „Ich weiß. Dies hier ist Ynge“, flüsterte ich mit Tränen in den Augen.
    „Was

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