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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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herauszureißen vermochte. Das Schiff sank, machte einmal einen unkontrollierten, vom Wind beeinflussten Ruck und landete dann unsanft. Hektisch rannten die Piraten umher und warfen ihren Kumpanen am Boden zahlreiche Taue zu. Doch als dann die Seitenwand geöffnet wurde und den Blick freigab auf eine windgepeitschte, steile Insel, auf raues Meer, auf Eisschollen und Eisplatten, die sich darauf einen ewigen Kampf lieferten, da rappelte ich mich wieder auf und beschloss, mir dieses Helgoland nun einmal anzusehen.
    Tomkes Mann, ich hörte, dass sie ihn Eiken nannte, durchtrennte meine Fesseln mit einem Messer und führte mich nach draußen. Am höchsten Punkt der Insel war das Luftschiff gelandet worden – ja, wahrhaft gelandet, denn es befand sich kein Ankermast auf der Insel, und nun blähte sich die Gashülle noch über uns, während das Luftschiff eilig und unter großer Kraftanstrengung rundherum vertäut wurde.
    Die See drang hart auf die Insel ein, schäumend bissen die Wellen in den rot schimmernden Fels. Einige Sonnenstrahlen hatten sich wie die Hand Gottes durch die Wolken geschoben und präsentierten mir das wilde Helgoland, das heute kein Segel- oder auch Dampfschiff mehr anzusteuern wagen würde, obgleich doch einst sogar die Griechen hier gewesen waren.
    Die Insel war von Schnee und Eis bedeckt und erweckte in mir die Sehnsucht nach jenen viel zu kurzen Sommern, die wohl auch hier im Norden an manchen, exponierten Stellen den Schnee schmolzen und frisches Grün und ein paar Blumen darunter zum Vorschein kommen ließen, bevor der Herbst wieder seine harsche Decke darüber schloss.
    Der Krümmung der Küstenlinie folgend, erblickte ich ein Dorf, das sich, nur durch einen Lattenzaun geschützt, an die Steilfelsen schmiegte. Tomke trat aus der Gondel heraus.
    „Fliegst du das Schiff?“, fragte ich sie und rieb meine erstarrten Finger, in die schmerzend das Leben zurückkehrte. Vorwurfsvoll streckte ich sie von mir – sie waren blau.
    „Ja.“ Eiken warf ihr einen Blick zu. „Nun, ich lerne es. Von Tjarko und Onnen.“
    „Wie hast du das überlebt? Den Flug mit deinem Rock, meine ich.“
    Sie lachte und reckte sich dabei in den Himmel – also wolle sie ihre Glieder strecken, aber auch ein wenig, als greife sie nach den grauen Wolken und reiße sie entzwei. „Es war sehr kalt, als ich im Meer gelandet bin“, antwortete sie. „Aber ich bin weit genug von diesem vermaledeiten Ætherlot weggekommen, dass die Frijheid mich aufsammeln konnte.“
    „Einen Alarm habt ihr trotzdem ausgelöst.“
    „Tatsächlich?“ Sie lachte und machte eine wegwerfende Handbewegung. Eiken durchbohrte mich mit seinen Blicken. Er schien mir ein sehr misstrauischer und eifersüchtiger Ehemann zu sein, ein Eindruck, den er noch verstärkte, indem er etwas sagte, dem ich den Sinn „Mach das nicht noch einmal!“ entnehmen konnte. Sie lächelte ihn wieder mit diesem spöttischen Gesichtsausdruck an, der einem die Illusion nahm, dass sie ein freundlicher, wohlmeinender Mensch war.
    „Mein Mann kann sich nicht daran gewöhnen, dass ich Dinge immer wiederholen werde, wenn mir danach ist.“
    Ich betrachtete sie aus dem Augenwinkel und versuchte, durch bloßes Feststellen der Ähnlichkeit mit der Gräfin meinen Verdacht zu erhärten. Eiken bellte einen wütenden Befehl, woraufhin mich zwei Piraten rechts und links an den Oberarmen packten und auf einen sicherlich anderthalb Meter in den Schnee gegrabenen Pfad führten. Ich sah über die Kante der weißen Massen hinweg und fühlte mich wie ein Kind. Hintereinander trotteten wir durch eine Welt, die nun nur noch aus einem nahen verschneiten Horizont und einem stürmischen Himmel zu bestehen schien. „Lassen Sie mich bitte los!“, sprach ich einen meiner Bewacher an und bemühte mich um eine laute und deutliche Aussprache. „Ich werde keinen Fluchtversuch unternehmen. Es ist schließlich eine Scheißinsel, ferdrait!“
    Ynge sog ob meiner gekonnten Beschimpfung die Luft ein, doch die hässliche Gestalt, die mich festhielt, lockerte tatsächlich ihren Griff.
    Ja, ich war jetzt auf einer Insel gefangen. Æsta war weit, weit fort. Aquis war ebenfalls unerreichbar. Ich würde mit dieser Situation für die nächste Zeit leben müssen.

    Ich ahnte noch nicht, wie lang die nächste Zeit sein und dass ich sogar grüne Schößlinge auf Helgoland blühen sehen würde.
    Wir betraten das Dorf durch ein Tor, das mit den Köpfen alter, allessehender, heidnischer Götter verziert war, die mich

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