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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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legte. Ich schniefte, wischte mir mit dem Ärmel meines Mantels den Mund ab, tastete nach Ynge und sah blinzelnd auf. Ich befand mich im leeren Laderaum des Luftschiffes, und der vermutlich größte Teil der Mannschaft, bestehend aus etwa acht Männern, stand um mich herum und betrachtete mich mit süffisantem Grinsen. Ich erhob mich und ignorierte dabei eine feixend ausgestreckte Hand – schwankend nahm ich jedoch die Hilfe einer Metallverstrebung an, die zum Gerüst der Gondel gehörte.
    Es war dunkel im Frachtraum, rußige Oberlichter ließen das trübe Licht des hohen Nebels herein.
    Die Männer, allesamt in der dunklen, gegen die Kälte schützenden Kluft der Arbeiter, starrten mich aus schmutzigen, wilden, ungepflegten Gesichtern an. Ich fürchtete mich, ermannte mich jedoch und richtete mich, ungeachtet der Flecken, die das Erbrochene auf meinen Ärmeln hinterlassen hatte, an der von Rostblüten verzierten Verstrebung auf.
    „Sind Sie … hat Gräfin von Niederbroich Sie … ähm … mit meiner Rettung betraut?“
    Ich erntete ein johlendes Lachen. „Gute Manieren“, kommentierte ein hagerer Mann, der kaum älter war als ich, dem jedoch Arbeit und Schmutz bereits etwas Altes, Graues verliehen. „Vielleicht sollten wir uns mal nach einem Lösegeld umhören.“
    Er fügte etwas in einer seltsamen Mundart an, die ich nicht auf Anhieb verstehen konnte, andere antworteten ihm, und bald schwirrte mir der Kopf erneut, als schaukle ich immer noch an einem Seil unterhalb des Luftschiffes.
    „Sie wollen Lösegeld verlangen? Ich bin doch freiwillig hier!“
    Er lachte erneut, ein Lachen, das so dreckig war wie er selbst und nicht minder gelblich-graue Zähne enthüllte. Wohin hatte die Gräfin mich nur verfrachtet?
    „Freiwillig – von einer Not in die andere.“
    Ynge schlug unter meiner Hand ihre lang bewimperten Augen auf. „Du sollst die Haukestochter grüßen.“
    „Ich soll die Haukestochter grüßen. Ist sie hier?“ Mein Herz schlug schwer und langsam. Gemurmel wurde unter den Männern laut, erneut ergriff der Hagere das Wort – vielleicht war er der Einzige, der des Hochdeutschen mächtig war.
    „Ihren Namen zu kennen, wird dir die Freiheit nicht garantieren. Die Gräfin hat gesagt, wir sollen dich in Sicherheit bringen.“ Er breitete die Arme aus und grinste. „Du bist in Sicherheit!“
    „Wo fahren wir hin?“
    „In die Sicherheit der friesischen Küsten“, gab er zurück, und gab dann erneut einen Befehl in seiner seltsamen Sprache. Je mehr ich ihr zuhörte, desto mehr musste ich befinden, dass es sich nicht, wie ich vermutet hatte, um einen Dialekt des Deutschen handelte, sondern um eine eigene Sprache, von der ich allenfalls Lehnworte verstehen konnte.
    Da der Befehl jedoch rasch in die Tat umgesetzt wurde, musste ich nicht lange über die Worte nachdenken. Ich wurde mit Tauen an die Verstrebung gefesselt, an der ich Halt gesucht hatte.
    Meinen Einsprüchen und friesischen Verwünschungen (Flüche habe ich in beinahe allen lebenden Sprachen auf Lager und einige besonders illustere auf Latein) wurde nicht Folge geleistet, und gegen mehrere Männer mit Muskeln wie Drahtseile konnte ich mich nicht erwehren. „Verdammter friesischer Pirat!“, spuckte ich dem Hageren vor die Füße.
    „Richtig erkannt! Willkommen an Bord der Fryske Frijheid .“

    Einige der Piraten waren immer im Lagerraum – sie arbeiteten meist nicht, sondern würfelten oder spielten Karten oder unterhielten sich in ihrer Sprache, die ein wenig klingt wie das Vlæmische, das in den westlichsten Gebieten des Deutschen Reiches gesprochen wird. Obwohl Aquis sich nah an diesen Gebieten befindet, hatte meine Bildung nie umfasst, solche indigenen Minderheitensprachen zu erlernen.
    Durch die Oberlichter konnte ich das Grau der Wolkenbänke wirbeln sehen, ab und an zerrissen von einem plötzlichen Wind, der dem Luftschiff zu schaffen machte. Es war schrecklich kalt im Lagerraum, und die Piraten gruppierten sich um ein Öfchen – ein Luxus, der mir nicht gewährt wurde.
    „Entschuldigung“, rief ich ihnen irgendwann zu. „Ich erfriere!“ Meine Zähne klapperten sehr glaubwürdig aufeinander, meine Hände waren bereits von den Fesseln abgeschnürt und schienen langsam abzusterben.
    „Komm halt rüber!“, rief einer von ihnen, und ich bemerkte überrascht, dass es eine Frauenstimme war. Ich hatte nicht erkannt, dass Weibsvolk unter der Mannschaft gewesen war. Schließlich hieß es nicht umsonst Mannschaft .
    „Bist du

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