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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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ausgezeichnet, und mir wurde bewusst, dass ich selbst bei der Gräfin von Niederbroich nicht recht hatte zulangen können.
    „Mehr oder weniger. Was ihr halt so Piraten nennt“, erwiderte der Mann. Er war wenig älter als ich, hatte sein Gesicht mit zwei schwarzen Dreiecken auf den Wangen tätowieren lassen, dazu bildeten seine Zahnlücken weitere schwarze Flecken in seinem Gesicht.
    „Wie wird man das denn?“
    „Naja, überlaufen, wenn die Friesen sich an Bord schwingen“, grinste der andere und offenbarte ein Gebiss, für das lückenhaft kein treffender Ausdruck mehr zu sein schien.
    „Oder anheuern in den Städten. Oder gefangengenommen werden und sich bewähren“, warf ein anderer, behäbiger Geselle ein.
    „Ah. Das geht auch? Wie schnell geht so was?“
    „Weiß ich nicht. Bin übergelaufen.“
    Ich hielt ihnen nacheinander die Hand hin. „Ich bin Naðan.“
    „Erfreut. Bin Ðomas.“
    „Albert“, sagte der Behäbige, und nach und nach warfen noch andere ihre deutschen, vlæmischen oder polnischen Namen zu mir herüber.
    „Was hast du vorher gemacht, Ðomas?“, wandte ich mich an den Mann mit den tätowierten Dreiecken.
    „Hab für einen Juden gearbeitet. Der war Händler. Diamanten, Edelsteine und Gold aus dem Orient.“ Er kicherte grimmig. „Der Frachtraum war voller Tuch, für einen anderen Händler aus Hamburg. Die Piraten waren mäßig begeistert, das Tuch war schwer und weniger wert, als sie gehofft hatten. Aber irgendwann haben sie das Kästchen gefunden, auf das ich hatte aufpassen müssen. Hab ihnen geholfen, es zu versetzen, seither bin ich mein Gewicht gewissermaßen in Gold wert. Also, sie halten wirklich viel von mir.“
    „Wenn ich mein Gewicht in Gold wert wäre“, sagte ich nachdenklich, „würde ich über goldene Zähne nachdenken.“
    Er starrte mich kurz an, öffnete den Mund, schloss ihn wieder und wandte sich beleidigt seinem Essen zu. Albert und ein Junge namens Friedrick lachten herzlich und bedachten mich mit Blicken, als wäre ich in ihre Mitte aufgenommen.
    Es dauerte nicht lange, da trat die Haukestochter an mich heran. Sie war mir ein nicht unliebsamer Anblick – sie war hübsch, sie sah ab und an freundlich aus, und ich erinnerte mich gerne daran, dass sie auf dem Ball der Hoeschs die einzige verwandte Seele gewesen war. „Sie und die Gräfin“, antwortete ein Gedanke, und eine weitere Erinnerung flammte auf.
    „Nein, sie und ich und die Gräfin, wir haben nicht so viel gemein!“, protestierte ich im Stillen, schob den Gedanken an nackte Haut beiseite und warf einen nervösen Blick auf Ynge, die so schweigsam war in letzter Zeit.
    Tomke verscheuchte Ðomas von seinem Platz und setzte sich neben mich. Sie holte etwas hervor, von dem ich nicht einmal gemerkt hatte, dass ich es nicht mehr besaß. Es waren die Pläne der Fluggeräte. Sie mussten mir abhanden gekommen sein, während ich mit Speien beschäftigt gewesen war.
    Sie rollte die Zeichnungen ein Stück auseinander.
    „Das hier ist sehr interessant. Hast du das gemacht?“
    „Teilweise. Aber es sind die Erfindungen meiner Frau“, seufzte ich.
    „Wo ist deine Frau? Ich … das hier interessiert mich.“
    „Das kann ich mir vorstellen“, lächelte ich und setzte mich gerade auf, bereit, mich so teuer wie möglich zu verkaufen. „Das wäre wunderbar, nicht wahr? Zu fliegen, ohne diese behäbigen Kolosse!“
    Sie lächelte ebenfalls, dieses Lächeln, das ihre Augen nicht erhellte und so rasch umschlagen konnte.
    „Meine Frau“, erläuterte ich dem gefährlichen Lächeln, „liegt in Formaldehyd in Æstas Nervenheilanstalt. Ein Mann hat sich ihrer zu früh entledigt, ein Umstand, der, so denke ich, mittlerweile auch ihm bewusst ist.“
    Tomke schob ihr Kinn vor, doch etwas Unruhiges war dennoch bis in ihren Blick hinaufgestiegen, und sie hatte sich dessen nicht erwehren können.
    „Du hast deine Frau … in Æstas Nervenheilanstalt gefunden?“, murmelte sie, und ich nickte ernst. „Deswegen nanntest du diesen Professor den Leibhaftigen …“
    „Er ist es. Welcher Mensch kommt näher an den Satan heran?“, murmelte ich und begegnete Ynges traurigen Augen. Ich hatte sie zurücklassen müssen. Meine Frau. Nur noch ihre hochfliegenden Pläne lagen vor mir auf dem Tisch.
    „Es sind nur Pläne. Sie sind niemals gebaut worden. Sie ist nie damit geflogen“, brachte ich hervor, und meine Stimme klang erstaunlich ruhig.
    Tomke verbannte das Mitgefühl aus ihrem Blick. „Vielleicht wird es jemand

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