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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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ihn gar nicht“, lächelte Tomke ihr hinterlistiges Lächeln, als sie mir in ihrer Kammer einige Bögen festes Briefpapier überreichte. „Stets ist er eifersüchtig, und ich war über ein Jahr fort. Er ahnt, dass sich unsere Ehe … dem Ende zuneigt.“
    „Wie … wie kann sie sich dem Ende zuneigen?“, fragte ich und musste an meine Ehe denken, die ihr grausames Ende bereits hinter sich hatte.
    „Bei uns ist es Sitte, dass man eine Ehe auflösen kann. Wenn noch keine Kinder daraus hervorgegangen sind – oder wenn sie schon erwachsen sind.“
    „Also, dann wird die Ehe … annulliert?“
    „Annulliert? Nein, das würde ja heißen, sie wird für nichtig erklärt. Die Ehe wird einfach aufgelöst und jeder kann sich jemand Neues wählen.“
    „Aber widerspricht das nicht dem Sinn einer Ehe? Sollte eine Ehe nicht für alle Ewigkeit geschlossen werden? Oder zumindest …“ Ich schluckte. „Zumindest, bis dass der Tod …“ Die Stimme versagte mir, und Tomke wandte den Blick ab, berührte eine besonders perfekte Eisblume an ihrem Fenster.
    Ich drehte mich um und verließ den viel zu eng scheinenden Raum.
    Als ich erneut auf dem Hackklotz ankam, begann die Sonne gerade einen roten Untergang inmitten beinahe quadratischer Schäfchenwolken. Ich seufzte und zückte einen Stift. Nun hätte ich einmal Farbe gebraucht, aber meine Besitztümer waren auf bloße Kleinigkeiten zusammengeschrumpft. Ich versuchte dennoch, das Spiel der Farben einzufangen, die hohen Wolken, die den Atem zu sich hinauf sogen. Zeichnete Hallem mit seinen geduckten Häuschen, die aussahen, als könne der nächste Sturm, die nächste wütende Welle sie hinwegfegen, sie ungeschehen machen. Unter mir erstreckte sich am Fuße der roten Felsen ein Strand, auf dem immer noch einige Bernste insucher zugange waren. Offensichtlich tauschten die Piraten auch Warengüter, wenn sie den kostbaren Stein schon unter diesen widrigen Bedingungen dem Meer abrangen. Ich wählte die Perspektive meiner Fingerübung so, dass ich auch sie einfing – das gelandete Luftschiff jedoch befand sich in meinem Rücken, und so wurde das Bild ein Zeugnis längst vergangener Tage. Während des Zeichnens gestand ich mir ein, dass ich unglücklich war. Dass eine Leere in mir war, die Ynges Schweigen nur vertiefte, dass sie mich aushöhlte und meine Seele darin klappern ließ. Ich zitterte, doch es konnte auch von der Kälte rühren, die mit einem Wind wie ein Messer durch meine Kleidung drang.
    „Es ist gut geworden. Komm doch morgen zu mir und zeichne mich“, hörte ich erneut Tomkes Stimme hinter mir. Als ich mich umwandte, war ihr Lächeln unsicher geworden, als fühle sie sich schuldig an meinem Zustand.
    Warum leben manche Leute in einer nachlässigen Ehe, die ihnen nichts bedeutet und die sie wegwerfen wie einen zerlöcherten Strumpf, während ich jene verlieren musste, die mich liebte? Verbittert entgegnete ich ihrem Blick.
    „Frierst du nicht?“
    „Ich wünsche mir einen Maxwell’schen Dämon, der mich wärmt.“
    Ynge kicherte in meiner Tasche.
    „Das verstehe ich nicht“, schmollte Tomke zu Recht.
    „Es ist ein Rätsel der höheren Physik. Ein Gedankenexperiment, bei dem der zweite Hauptsatz der Thermodynamik nicht greift, und man weiß nicht, warum das so ist, jedenfalls noch nicht. Ein Paradoxon.“
    „Vielleicht erlaubt sich Loki einen Scherz“, mutmaßte sie.
    „Stell dir zwei durch ein Loch miteinander verbundene und mit Gas gefüllte Behälter vor, im Loch sitzt der Maxwell’sche Dämon. Oder dein heidnischer Loki, wenn du den lieber hast. Der Dämon lässt jetzt einfach nur die schnellsten Gasteilchen aus dem einen Behälter in den anderen strömen. Ähnliches gilt für die langsamsten aus dem anderen Behälter. Die anderen lässt er nicht passieren. Dadurch wird der eine Behälter warm, der andere kühlt ab, und das alles, ohne mechanische Arbeit zu verrichten.“ Ich war alles andere als ein Experte in solchen Dingen, doch Rätsel und Ungereimtheiten im Weltgefüge konnte ich mir stets ähnlich gut merken wie Schimpfworte in anderen Sprachen.
    „Und das“, Ynge nickte mir bestätigend zu, während Tomke – offenbar leicht gelangweilt – die Stirn runzelte, „widerspricht dem zweiten Hauptsatz. Den der Herr Professor so liebt.“
    „Und was hat dieser Dämon damit zu tun, ob du frierst? So ganz ohne gasgefüllte Behälter?“
    „Der Dämon könnte einfach die Umgebung abkühlen und mich aufwärmen, ohne Mühe, und sich dabei doch an die

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