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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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würde. Ich konnte kein Ende finden, obgleich das Feuer niederbrannte. Stets erkannte ich ein Detail, das noch gezeichnet werden wollte – die zarte Kuhle zwischen ihren Schlüsselbeinen, das kleine Messer an ihrem Gürtel.
    Eine Hand legte sich auf meine Schulter, als ich mein Zeichen, das Eth, ð, in die rechte untere Ecke setzte. Es war die Hand des Redjevens.
    „Was verlangst du für das Bild?“, fragte er mit deutlich lallender Zunge.
    „Meine Freiheit“, sagte ich, und er grinste.
    „En hi hat is itsoch omdat alle Friisen ümmer frai wee skel, din ’ n wat geboorn en din ’ n wat no ni geboorn sen, slongs de Win oawer de Hemmel wait en de Welt bestunt. Wear bes di fraier as bi de Friisen, miin Moat?“
    „Wenn ich frei bin, warum kann ich die Insel dann nicht verlassen?“
    Er lachte und zuckte mit den drahtigen Schultern. „Bist du ein Hurenmörder, miin Moat? Oder hast du die Freiheit verdient?“
    Ich ließ das Papier zu Boden flattern, als hätte ich nicht Stunden damit verbracht.
    „Was erlauben Sie sich!“
    „Es kommen Geschichten vom Festland. Man sucht nach dir. Du sollst verurteilt werden. Ein Mann mit einer Puppe, ein kranker Mann, so sagt man.“
    „Foor!“, warf Tomke ein, doch sie hatte aufgehört zu existieren.
    „Hätten Sie mich nicht in Ihrer müßigen Überlegung, Lösegeld zu fordern, gefangengehalten, hätte ich diese gemeinen Lügen entkräften können, bevor sie zum Festland gelangen.“
    „Ein Freiherr von Erlenhofen, so sagt man, der Huren tötet, weil es seine Puppe befiehlt.“
    Ich war selten kurz davor gewesen, als Erster zuzuschlagen. Tief musste ich durchatmen, um meine Wut zu zügeln. Dennoch stampfte ich mit meinem Fuß auf das Bild, und entsetzt schrie Tomke auf.
    „Behalten Sie dieses Bild, Redjeven. Und behalten Sie meine ferdrait Fraihait!“ Ich spuckte auf den Boden und wandte mich zum Gehen, mühsam um meine Fassung ringend.
    Als ich beinahe gegen den Stuhl der eingemummelten Priesterin gestoßen und so knapp an ihr vorbeigestolpert war, dass vermutlich der Luftzug sie geweckt hatte, hob sie seufzend den Kopf und griff mit ihren gichtigen Fingern nach mir. Sie erwischte Ynge und zog sie behände aus meiner Tasche. Ich heulte auf vor Wut – niemals war Ynge mir entrissen worden, seit ich sie … seit ich sie vor meinem Sturz hinab in den Kanal aus Æmelies Händen genommen hatte.
    Zitternd und machtlos hielt ich inne – ich konnte schlecht auf die Greisin losgehen, und Tomke und ihr Vater verharrten reglos, als fürchteten sie meine Reaktion. Mit einem Geräusch wie einem Schluchzen hob Tomke das Blatt auf, hielt sich selbst davon ab, es glattzustreichen und damit all die Kreidestriche zu verwischen.
    „Geben Sie mir meine Puppe wieder, verehrte Dame“, brachte ich mühsam beherrscht hervor. Meine Stimme zitterte wie die erlöschenden Flammen.
    Die Alte strich über Ynges Haar, wiegte die schreckensstarre Puppe in ihrem Arm und hielt ihre Wange an die Porzellanwange. „Schtjülli, schtjülli, schtjülli.“
    „Naðan! Sie soll mich loslassen!“, piepste Ynge. „Ich will zurück!“
    „Geben Sie mir … meine Puppe!“ Die letzten Worte brüllte ich beinahe. Für die heidnische Hexe jedoch schien ich Luft zu sein. Nach weiterem sinnlosen Gebrabbel richtete sie ihr blaues Auge auf mich. „Dji hat keen Seel. Oawers dji teowt iip wat.“
    Mit diesen Worten reichte sie mir die Puppe zurück, als sei sie das zerbrechlichste Wesen der Welt. Aufgewühlt stürmte ich aus dem Saal des Redjevens hinaus in die Kälte, in der die vielen Feuer, die sich durch das Dorf zogen und vielleicht für einen nächtlichen Vogel ein flammendes Zeichen ergeben hatten, langsam erloschen.

    Ich weiß nicht, ob mein Verhalten ihren Verdacht, ich könne doch der Hurenmörder von Æstas End sein, entkräftet oder eher verstärkt hatte, doch sie ließen mich für den Moment unbeachtet. Rastlos wanderte ich über die Insel, glaubte den Wind doch durch einen Hauch des Frühjahrs milder und ließ meine Augen über das Meer schweifen, auf der Suche nach Luftschiffen, die Helgoland ansteuerten. Ich würde mit einem von ihnen davonfahren, mich im Frachtraum verstecken oder auch in der Gashülle. Ich würde nicht fernab der Heimat dulden, dass man daheim in Aquis glaubte, der Tod meiner Frau habe mich zu einem Perversen werden lassen, dem eine Puppe Morde befahl. Ich schüttelte mich innerlich, malte mir die würdevoll faltigen Gesichter meiner Eltern aus, wenn ihnen jemand diese

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