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Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die zerbrochene Puppe: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Vogt , Christian Vogt
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bin vermutlich zu leichtgläubig“, hörte ich Tomkes Stimme, als ich auf den offenen Platz trat, um vor dem Schlafengehen der stickigen Enge der Hütte noch einmal zu entkommen, die ich mit zu vielen Männern zu teilen gezwungen war.
    Ich wandte mich um – sie meinte mich mit ihrem Ausruf, kam gerade über den Platz mit dem Holzpfahl, in die die Gesichter von Göttern wie Wöda, Frigga und Þor eingeschnitzt waren, auf mich zu.
    „Weil ich ein Mörder bin und du ein armes hilfloses Mädchen?“
    „Touché“, lächelte sie selbstironisch. „Ich mag dich, Naðan, aber ich bin bekannt dafür, immer die Falschen zu erwischen.“
    „Wie Eiken, ja? Erst ein tumber Grobian und dann ein verrückter Hurenmörder. Du solltest dir wirklich Gedanken über deinen Umgang machen.“
    „Sie lassen überall nach dir fahnden. Haben eine Belohnung ausgesetzt. Es ist doch klar, dass die Gerüchte auch hier landen. Und mein Vater muss dich darauf ansprechen – immerhin hat er dich nicht irgendwo eingesperrt.“
    „Ich bin hier eingesperrt. Wie in Dædalus ’ Gefängnis ist der Himmel über mir offen, und trotzdem bin ich gefangen.“
    Tomke sah hinauf in die Sterne und breitete ein wenig die Arme aus. „Dann bau dir Flügel wie Dædalus. Du hast doch die Pläne dazu.“ Sie sah mich ernst an. „Wenn ich wiederkomme, werden wir diese Geräte bauen, die deine Frau entworfen hat.“
    „Werden wir das?“
    „Oh, sei nicht so unnachgiebig! Hätte sie es nicht gewollt?“
    Wut wallte erneut in mir auf, und ich fühlte mich wie jemand, der sich selbst nicht kennt. „Was weißt du über meine Frau? Was weiß jemand, der leichtherzig einen tumben Grobian heiratet, jemand, der stets tut, wonach ihm der Kopf steht, der es nie schwer hatte im Leben, der nie ermordet wurde oder allein mit einer Puppe zurückblieb – was weißt du schon von mir oder Æmelie?“ Ich rang nach meiner Fassung, Tränen schossen mir in die Augen, und sie sah zu Boden. Kurz dachte ich, sie würde sich entschuldigen, doch sie tat es nicht. Sie machte auf dem Absatz kehrt und stürmte zurück in das große Haus ihres Vaters.
    „Sie ist noch recht jung, nicht wahr?“, sagte Ynge leise, und ich streichelte sie, dankbar, dass sie wieder die Alte war. „Impertinent, unerfahren und unbedarft in allen Belangen.“
    Ich nickte und fuhr mir durch die Haare, verzweifelt darin raufend stellte ich fest, wie lang sie geworden waren; je länger sie wurden, desto lockiger wurden sie und kringelten sich albern über meine Ohren. Ich hoffte, dass ich Tomke zum letzten Mal vor ihrem Beutezug gesehen hatte, doch ich hoffte vergeblich.

    Bereits am nächsten Morgen winkte sie mich in ihres Vaters Halle. Missmutig stapfte ich hinüber und nahm die Schüssel mit Haferschleim an, die sie mir zum Frühstück reichte.
    „Ich wollte dir noch Briefpapier geben“, sagte sie.
    „Danke.“
    „Sieh – da hängt dein Werk!“ Sie zog mich hinüber zum Kopfende des großen Festsaals, durch den sich nun hölzerne Trennwände zogen. Auf Strohlagern schliefen für gewöhnlich die Krieger des Redjevens, traditionell Speer, Schild und Kurzschwert neben sich, und auch sie waren nun erwacht und löffelten ihren morgendlichen Brei. Wie sehnte ich mich nach dem frischen Brot, das wir in Aquis beinahe jeden Morgen gegessen hatten. Frisches, duftendes, lockeres Brot aus den zahlreichen Backstuben – oder gar Brötchen! Sehnsüchtig seufzte ich.
    Meine Zeichnung, vorsichtig geglättet und von Schmutz und beinahe allen Spuren meines Fußabdrucks befreit, hing hinter dem angebrochenen Glas eines Bilderrahmens, am breiten, von Rauch und Alter gedunkelten Balken, der das Dach über dem Sitz des Redjevens stützte.
    „Ich danke dir, dass du mich gemalt hast.“
    „Gezeichnet.“
    „Gezeichnet dann also. Hör zu, ich habe dir einen Vorschlag zu machen. Ich habe ein Segelboot.“
    Ich blickte sie an. Sie würde mich nicht mehr aus der Ruhe bringen. Sie war mir einfach egal. Ich wollte fort von hier, ich wollte meinen Ruf retten, wollte Æmelie begraben, wollte zeichnen und dann ganz in mir vor der Welt verschwinden.
    „Die See ist heute ruhig. Ich werde dich hinausbringen, aufs Wasser, und von dort aus kannst du Naðurn Stak malen. Zeichnen.“
    „Mit einem Boot? Hinaus aufs Meer?“
    Sie nickte ernst, und ich blinzelte verwundert.
    „Mit einem Segelboot? Ich will nicht dabei sterben, wie ich eure Küste zeichne.“
    „Das wirst du nicht. Ich kann segeln. Weiter hinaus ist es zu gefährlich,

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