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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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darunter stand C Julii Ccesaris. Und dann, in größeren Lettern: Commentariorum De Bello Gallico, Liber II. Der zweite Band von Cäsars Berichten zum Gallischen Krieg. ›Quum esset Cæsarin citetiore Gallia in hibernis …‹, begann sie zu lesen – und schlug schnell das Buch zu. Dieser Teil ihres Lebens war lange her und ein für allemal vergessen.
    Entschlossen wandte sie sich zwei weiteren Büchern zu. Sie lagen quer oben auf dem Schrank, und Rosina mußte einen Stuhl heranschieben, um sie zu erreichen. Warum hatte er die beiden Bände, die Fabeln und Erzählungen von Christian Fürchtegott Geliert, an einen Ort gelegt, wo sie nur Staub fingen und den Spinnen Halt für ihre klebrigen Netze boten? Weil sie nicht dem Unterricht dienten? Oder weil er Gellerts Plauderton, seine Verbindung von Herz und Vernunft nicht mochte? Jedenfalls war ihre Kletterei umsonst. Auch zwischen den Deckeln dieser beiden Bände fand sie wie bei allen anderen nichts als die vielen Seiten, die hineingehörten.
    Als sie von dem Stuhl herunterstieg und noch mit ihren Unterröcken kämpfte, die sich an einer schadhaften Stelle im Holz der Lehne verfangen hatten, fiel ihr Blick auf den Ofen, und endlich fand sie, was sie gesucht hatte.
    »Wie seid Ihr nur auf die Idee gekommen, ausgerechnet in den Ofen zu sehen?« fragte Claes.
    »Das war einfach. Ich fand nichts in den Büchern und überlegte, welche Plätze in einer so kleinen Wohnung vor der neugierigen Nase einer Wirtsfrau sonst noch sicher sind. Es sind sehr wenige. Im Sommer, dachte ich, ganz bestimmt auch die Ofenklappe. Die wird am Ende des Winters saubergemacht und erst im späten Herbst für die erste Feuerung wieder geöffnet. Warum sollte sie sich vorher bücken und darin herumstöbern?«
    Claes war schon immer der Ansicht gewesen, daß Frauen zwar nicht gerade für Kontor, Kanzel oder Katheder gemacht waren (dabei vergaß er nur zu gerne, daß seine eigene Frau vor ihrer Heirat viele Jahre lang die heimliche Herrin des Handelshauses ihres allzu sehr zur Behaglichkeit neigenden Bruders gewesen war), aber doch in ihren Fähigkeiten nicht unterschätzt werden durften. Dennoch war er beeindruckt.
    »Ganz einfach, Rosina, tatsächlich. Es muß einem nur erst einfallen. Und nun laßt uns endlich sehen, was Ihr noch gefunden habt.«
    »Gewiß. Unbedingt.« Wagner stand immer noch neben Claes Herrmanns, die Hände steif hinter dem Rücken verschränkt, das Kinn vorgeschoben. »Gewiß. Aber zuvor etwas anderes. Wenn Ihr uns schon nicht wissen laßt, mit welchen Mitteln Ihr in die Wohnung des Toten vorgedrungen seid, so möchte ich doch wissen, was Euch eigentlich darauf gebracht hat?«
    »Ach, Wagner, seid bitte nicht beleidigt. Ich habe keine Sekunde daran gezweifelt, daß Ihr bei Eurer Suche gründlicher als gründlich gewesen seid. Keine Sekunde, das schwöre ich, ich kenne Euch gut genug. Es gab einen anderen Grund.«
    »Einen anderen Grund. Aha. Und der wäre?« Noch konnte Wagner sich nicht entschließen, seine amtliche Miene abzulegen.
    Rosina seufzte, schenkte sich Kaffee aus der dickbauchigen, mit roten Vögeln und goldenen Zweigen bemalten Kanne nach, die Blohm inzwischen gebracht hatte, rührte Zucker hinein und legte umständlich den Löffel auf die Untertasse.
    »Ich will es Euch erklären, aber ich hoffe, daß die Geschichte in diesem Raum bleibt.«
    Dabei sah sie Wagner an und meinte Claes Herrmanns. Wagner würde niemals dienstliche Angelegenheiten herumschwatzen, nicht einmal nach dem vierten Bier, falls er jemals soviel trank, was sie sich aber nicht vorstellen konnte. Bei Claes Herrmanns war sie da überhaupt nicht sicher. Der konnte kaum der Versuchung widerstehen, eine schöne Geschichte im Kaffeehaus zu verbreiten, selbstverständlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, was soviel nutzte wie den Blitz zu bitten, es nicht donnern zu lassen.
    »Rosina!« Claes richtete sich mit gerechter Empörung im Blick auf. »Natürlich bleibt alles, was hier gesprochen wird, in diesem Raum. Es sei denn, es ist eine Sache, die vor Gericht verhandelt werden muß. Dann natürlich nicht! Aber nun erzählt endlich. Warum wart Ihr in Donners Wohnung, und was habt Ihr dort gesucht?«
    »Dies hier.« Rosina zog einen Brief aus dem Stapel, und obwohl sie ihn diesmal nicht triumphierend hochhielt, war Wagner schneller als Claes und schnappte sich das Papier.
    »Es ist ein Liebesbrief«, sagte Rosina.
    »Ein Liebesbrief! Dafür habt Ihr Euch solche Mühe gemacht? Für Donners

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