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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Raum?«
    Gulp zog unbehaglich die Schultern hoch und nickte. »Für eine Minute. Da war Monsieur Bucher tatsächlich gerade nicht da, was aber nichts zu sagen hat. Seine Papiere, Feder und Tinte und ein aufgeschlagenes Buch waren nämlich noch auf dem Tisch.«
    »Wieso hat das nichts zu sagen? Weg ist weg.«
    »Monsieur Bucher ist keiner, der seine Sachen herumliegen läßt. Er ist ein sehr ordnungsliebender Mensch. Immer stellt er die Bücher an den richtigen Platz zurück. Eine seltene Tugend. Ich bin sicher, er war nur kurz fort, ein Minütchen, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
    »Ich verstehe absolut nicht, was Ihr meint. Was bedeutet ›kurz weg‹?«
    »Er war«, Justus Gulp senkte schamhaft zuerst das Kinn, dann die Stimme, »er war gewiß auf dem Abtritt. Ein Minütchen eben.«
    Nun war es an Wagner, sich behaglich zurückzulehnen. Ein Minütchen oder auch zwei Stunden. Monsieur Bucher hatte behauptet, während der ganzen Pause, also auch während Donner getötet worden war, in der Bibliothek gewesen zu sein. Professor Wolf hatte das bereitwillig bestätigt. Dennoch: Nun hatte der Mann, der die allerbesten Gründe gehabt hatte, seinen Kollegen Adam Donner zu hassen, keinen Beweis mehr für seine Unschuld. Und er hatte die allerbeste Gelegenheit gehabt, die Tat zu begehen. Egal, ob das Schultor für einen anderen Besucher geöffnet gewesen war oder nicht. Dieser andere, davon war Wagner nun überzeugt, war niemand anderes als der Uhrmacher Godard gewesen. Und dessen Schuld war, auch wenn Wagner es sich nur ungern eingestand, nicht zu beweisen.
    Schon eine halbe Stunde später fanden Wagner und Grabbe Melchior Bucher vor dem Mietstall am Drillhaus, bei dem er, wie seine Wirtin gesagt hatte, häufig ein Pferd ausleihe. Er reite gern, was für einen Lehrer ungewöhnlich sei, aber bei einem wie Monsieur Bucher nicht, der halte Bewegung im Freien für erbaulich und gut für den Geist. Aber sonst sei er gar nicht seltsam, sondern ein sehr angenehmer Herr, der nie Lärm und kaum Schmutz mache.
    Nun saß er an dem zerkratzten Tisch im hinteren Zimmer der Fronerei am Berg. Sie hatten ihm die Hände gefesselt, und das war vielleicht das Schlimmste. Diese mit einem groben Strick zusammengebundenen Handgelenke, als sei er ein Totschläger oder Mörder. Daß er genau das zu sein verdächtigt wurde, wußte er. Es wunderte ihn auch nicht, nun da der Weddemeister seine Geschichte kannte. Es erschien ihm trotzdem unwirklich wie ein schlechter Traum, doch er wußte, daß es für ihn daraus keinen Ausweg gab.

12. KAPITEL

     
    DONNERSTAG, DEN 11. AUGUSTUS,
    MITTAGS
     
    Sie brachten ihn in Blohms Kammer. Die war klein, auch war das Bett nur schmal und fest, aber wegen seiner Gicht und der steilen Treppen war der alte Diener vom Dachgeschoß hinunter in die bis dahin mit allerlei überflüssigem Mobiliar gefüllte Stube hinter dem großen Speisesaal umgezogen. Simon war immer noch bleich, aber die Gewißheit, endlich in Sicherheit zu sein, ließ seine Kräfte langsam zurückkehren. Mit feuchten Tüchern notdürftig gesäubert (für ein Bad, hatte Elsbeth entschieden, sei später Zeit), eingehüllt in wärmende Decken und mit honigsüßem Apfeltee versorgt, lag er in Blohms Bett, sah in die aufgeregt besorgten Gesichter, und obwohl er nichts wünschte, als in Frieden zu schlafen, beantwortete er alle Fragen. Nur auf die Wichtigste, wer ihn überfallen und beinahe getötet hatte, wußte er keine Antwort.
    Er erinnerte sich nur noch, daß da plötzlich dieser Reiter gewesen war, wie der zunächst versuchte, ihn niederzureiten, plötzlich vor ihm stand und auf ihn einschlug. Und dann, ja dann war ebenso plötzlich Muto dagewesen, wie ein Pfeil schoß er heran und warf den Mann um. Was danach geschah, wußte er nicht, nur daß er, als er wieder klar denken und sehen konnte, in dichtem Gestrüpp verborgen, den Kopf in Mutos Schoß, auf einer winzigen feuchten Insel inmitten des Moorstückes lag. Es war schon Nacht, und da ja gerade Neumond war, stockfinster. Er konnte kaum Mutos Gesicht erkennen, zunächst glaubte er zu träumen. Aber dann erkannte er ihn doch und erinnerte sich wieder.
    Alle, die sich in der engen Kammer um sein Bett drängten, sahen ihn hoffnungsvoll an. Anne und Claes Herrmanns, Niklas und Tante Augusta. Nur Muto fehlte, der saß in einem dampfenden Badezuber in der Küche. Und Christian, der mit dem Einspänner zum Neß unterwegs war, um Simons Familie zu holen.
    Aber er hatte sich nur wieder daran erinnert,

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