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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Salbei und Rosmarin, auch ein wenig Huflattich könne nicht schaden, ansonsten sei er jung und stark und brauche Schlaf. Nichts als einen langen ungestörten Schlaf.
    »Vorerst keine Fragen mehr«, schloß er seine Anweisungen wie mit einem Ausrufezeichen und sah streng in die sorgenvollen Gesichter: die ganze Familie Herrmanns, Madame und Monsieur Horstedt, auch der Rektor und Madame Müller waren inzwischen eingetroffen und kaum weniger erregt als die Horstedts. Gerade als er sich Muto zuwandte, der nur mit Mühe davon hatte überzeugt werden können, dazubleiben und nicht gleich, nachdem er Simon in Sicherheit wußte, zum Krögerschen oder zum Komödienhaus am Dragonerstall zu laufen. Muto war unverletzt, bis auf einen großen blauen Fleck am Kinn und ein paar tiefe Schrammen, die Doktor Reimarus als Kratzspuren von Dornen und Ästen diagnostizierte. Wieder griff er in sein Töpfchen mit der Ringelblumensalbe, klappte schließlich seine Tasche zu und war mit dem Versprechen, am Abend wieder nach dem Patienten zu sehen, verschwunden.
    Elsbeth stapfte die Treppe herauf, ein Tablett mit einer kleinen Schüssel Hühnersuppe und einem zweiten Becher mit dampfendem Tee in den Händen – sie brauchte nicht erst die Anweisung des Arztes, um zu wissen, was einem Jungen in seinem Zustand guttat –, und scheuchte die ganze Versammlung fort. Vor der Tür eines Kranken, sagte sie nicht minder streng als Doktor Reimarus, müsse es ruhig sein, bei allem Respekt, und im Speisezimmer werde gleich ein Frühstück serviert.
    Niemand glaubte, etwas essen zu können. Doch als die Mädchen die köstlich von Eiern mit Schinken, geräuchertem Lachs und Aal duftenden Platten hereinbrachten, frisches Brot mit Kümmel und kleine runde Kuchen mit Zimt und Rosinen, griffen alle zu. Nur Madame Horstedt ließ die Speisen unberührt und nippte zögernd an dem Melissentee, auf dem ihr Mann zur Besänftigung ihrer Sorge bestanden hatte. Sie hätte Kaffee vorgezogen, wie ihn die anderen tranken, aber wenn ihr lieber Asmund sein Apothekergesicht aufsetzte, war alle Widerrede vergeblich.
    Muto saß neben Niklas und aß mit dem Appetit und der Geschwindigkeit eines Jungen, der lange Stunden hungrig gewesen war. Alle hatten gehofft, daß Niklas, der ihn doch fast so gut verstand wie Rosina, die Sprache seiner Hände und Gesten übersetzen könne, aber es gelang nicht.
    »Wo bleibt Rosina nur so lange? Wenn wir uns nicht beeilen, finden wir den Kerl nicht mehr.« Claes trommelte unruhig mit den Fingern auf den Tisch.
    »Wenn wir ihn überhaupt noch finden«, sagte Anne. »Ich kann mir nicht denken, daß er in die Stadt zurückgekehrt ist. Wer immer er sein mag. Warum sollte er das tun? Das wäre doch viel zu gefährlich.«
    »Vielleicht.« Monsieur Horstedt sah sinnend aus dem Fenster. »Aber wenn stimmt, was Simon gesagt hat, nicht daß ich die Wahrheit seiner Worte bezweifele, aber er hat einen oder gar mehrere heftige Schläge auf den Kopf bekommen, da kann sich der Geist schon etwas verwirren, wenn es also stimmt, könnte es sein, daß er glaubt, die Jungen seien in diesem Morast versunken und«, er schluckte und sah auf seine Fingerspitzen, »und tot. Dennoch, wenn er ein Bürger dieser Stadt ist – was sonst sollte er sein? Ich glaube nicht an einen einfachen Straßenräuber –, wird er zurückkehren müssen. Wohin sollte er gehen?«
    »Er muß in dieser Stadt leben«, sagte Claes, »wie wäre er sonst an Godards Stichel gekommen? Und woher hätte er Monsieur Donner gekannt? Oder haltet Ihr es für möglich, daß jemand aus seiner Vergangenheit, vielleicht aus Husum, hergekommen ist, um eine alte Rechnung zu begleichen?«
    »Alte Rechnung?« Madame Horstedt funkelte Claes Herrmanns zornig an. »Für wen haltet Ihr meinen Bruder? Was für Rechnungen sollten da zu begleichen sein?«
    Claes hatte Glück, er mußte nicht antworten. Blohm traf ein und meldete, ein Knecht von der Fronerei sei da. Weddemeister Wagner bitte Monsieur Herrmanns, sich umgehend in die Fronerei zu bemühen. Man habe Monsieur Bucher arretiert, die Beweise seien eindeutig, und er bitte den Scholarchen, bei dem Verhör des Lehrers dabeizusein.
     
    »Wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so laßt es bleiben. Ich bin es nicht gewesen, und das ist die Wahrheit. Mehr habe ich nicht zu sagen.«
    »So seid doch vernünftig, Bucher.« Claes erhob sich von dem Holzstuhl, den der Weddeknecht für ihn in das hintere Zimmer der Fronerei getragen hatte, und begann ungeduldig in dem kleinen

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