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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Sorge um Niklas und Muto zu vergessen. »Aber muß man dazu nicht zuerst in das Kloster gelangen? Dort wird es doch einen Hof zu passieren geben, eine Diele, womöglich eine Pförtnerin. Laufen dort nicht ständig Bedienstete oder die Stiftsdamen selbst herum?«
    »Und sicher«, ergänzte Rosina, »gibt es im Hof einen Hund … «
    »Gänse«, warf Wagner ein und tastete unter dem Tisch nach seinem Knöchel, »vier große weiße Gänse.«
    „… der jeden Fremden verbellt.«
    »Das glaube ich nicht.« Augusta genoß sichtlich die Aufregung, die ihre Geschichte über Mademoiselle Meyerinks Erscheinungen ausgelöst hatte. »Mich hat jedenfalls kein Hund verbellt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß Mette solche lauten Tiere in ihrem Herrschaftsbereich duldet. Es ist tatsächlich ein Wirtschaftshof, da sind ständig Leute. Aber sicher ist es zur Mittagszeit ganz ruhig. Wer sich auskennt, wird schon eine stille Viertelstunde finden, um unbemerkt über den Hof in die Diele und in den Keller zu gelangen. Die Kellertreppe beginnt doch in der Diele, Claes?«
    »Ja, gleich wenn man hereinkommt in der hinteren linken Ecke. Aber ich glaube, es gibt noch einen weiteren Zugang zu den Gängen von der Küche aus. Haben wir das eigentlich geprüft, Wagner?«
    »Nun, eigentlich, also nicht direkt geprüft. Der Klosterschreiber hat so etwas erwähnt. Ja. Aber er hat auch gesagt, daß die Küche einen eigenen Holzraum hat, und der teilt den Gang. Man müßte also, wenn man diese geöffnete Tür erreichen wollte, von der Küche den Gang nach vorne durch den Lagerkeller und an der vorderen Treppe vorbei gehen. Dann kann man zu der hinteren Tür gelangen. Ja, das ist möglich.«
    »Sehr gut. Obwohl es mir schwerfällt zu glauben, daß ausgerechnet eine der Jungfrauen sowohl Grund genug als auch den Mut zu einer solchen Tat gehabt haben soll, so ist das doch sehr interessant. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, daß es auch nur entfernte Bekanntschaften zwischen den Lehrern und den Jungfrauen gab. Aber das werden wir feststellen. Morgen werde ich bei der Domina vorsprechen und mir diese Meyerink … «
    » Das wirst du ganz bestimmt nicht tun!« Augusta saß plötzlich sehr aufrecht, und der Triumph in ihrer Stimme war energischer Empörung gewichen. »Auf gar keinen Fall wirst du das tun, Claes. Ich habe Mette versprochen, kein Wort von diesen Vorfällen im Kloster zu erwähnen. Niemandem gegenüber. Sie ist sehr besorgt um den Ruf ihrer Konventualinnen, und ganz besonders um den der armen Meyerink. Die ist ein wenig exaltiert, aber wenn erst über diese Geschichte getratscht wird, heißt es gleich, sie ist verrückt. Du wirst nicht zu Mette van Dorting gehen und ihr erzählen, ich hätte mein Versprechen gebrochen. Daß ich es getan habe, ist schlimm genug, aber hier geht es um eine ernste Sache. Da darf man ein bißchen mogeln, auch wenn es um so ehrenvolle Dinge wie ein Versprechen geht.«
    »Eine ernste Sache. Da hast du sehr recht, Augusta. Aber ein bißchen mogeln, wie du sagst, reicht hier nicht. Du kannst nicht erwarten, daß wir uns diese Geschichte anhören und ›aha‹ sagen, ›sehr interessant«, sie aber nicht weiter untersuchen. Womöglich ist dieses nervöse Fräulein gar nicht so nervös, sondern hat den Mörder durchs Haus schleichen gehört.«
    »Womöglich, ja. Wenn sich das in der Stadt herumspricht, und das wird es in jedem Fall, in so einem Kloster haben nicht nur die Jungfrauen Ohren, sondern auch die Wände, und ganz besonders die, die sich dahinter herumdrücken. Wenn du und Wagner die Meyerink oder die Domina – Gott bewahre, da würdest du Mette kennenlernen! – ins Verhör nehmt, blamierst du nicht nur mich, sondern bringst sie auch in Gefahr. Soll Mademoiselle Meyerink sich einschließen, bis dieser Mensch gefangen ist? Nein, nein, das kommt überhaupt nicht in Frage. Es gibt eine viel bessere Möglichkeit.«
    »Nein, Augusta, das kommt erst recht nicht in Frage.“ Anne hatte dem Disput mit wachsender Unruhe zugehört. Nie zuvor hatte sie Claes und Augusta, die sich einander auf eine ganz besondere Weise verbunden fühlten, so scharfe Worte wechseln gehört. Das jedoch beunruhigte sie viel weniger als die Erinnerung an den ersten Teil von Augustas Bericht, in dem sie von dem ungeschickten Mädchen der Domina erzählt hatte, für das dringend ein Ersatz gesucht wurde.
    »Warum nicht, Anne?« Rosina griff nach ihrem Weinglas, drehte es in den Fingern und betrachtete das Glitzern der geschliffenen

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