Die zerbrochene Uhr
seine Frau auf eine Reise zu ihrer heimatlichen Insel zu begleiten.
Auf der Terrasse duftete es tatsächlich köstlich. Blohm und Elsbeth hatten mit der Hilfe des Pferdejungen den großen Tisch aus dem Gartenzimmer auf die Terrasse getragen, damit ihre Herrschaft, genauer gesagt, ihre Herrin den schönen Spätnachmittag genießen konnte. Claes war es gleichgültig, ob er das Essen im Garten oder in seinem Kontor serviert bekam, wenn es nur recht delikat war.
Im Halbschatten einer üppig wuchernden Waldrebe voller später tiefblauer Blüten saß Augusta, die silbergrauen Seidenschuhe neben ihrem bequemen Armstuhl, und fächelte sich mit dem Mundtuch frische Luft. Trotz der offensichtlichen Erschöpfung durch die Wärme des Tages sah sie außerordentlich unternehmungslustig aus.
»Anne, meine Liebe, guten Tag. Rosina, es ist wunderbar, daß du hier bist, du wirst dringend gebraucht. Und, Anne, könntest du Wagner davon überzeugen, daß er nicht in der Küche gebraucht wird? Ich fürchte, Blohm wird es uns niemals verzeihen, wenn Wagner ihm womöglich das Feuerholz aus der Hand reißt, um ihm die Arbeit zu erleichtern.«
Da trat Wagner schon aus dem Haus, mit hochrotem Kopf, den Dreispitz zerknautscht in der Hand, den dunkelblauen Rock akkurat geschlossen.
»Verzeihung«, murmelte er und neigte sich grüßend Anne und Rosina zu. »Madame, Mademoiselle. Ich wollte nur helfen, aber ich glaube, es ist nicht erwünscht.«
Claes lachte. »Wagner, Ihr seid unser Gast. Es ist wirklich eine edle, aber ich glaube, keine gute Idee, wenn Ihr in Blohms Reich eindringt. Setzt Euch, nehmt von dem Zitronenwasser, und öffnet um Gottes willen Euren Rock. Kein Senator weit und breit zu sehen. Eure Weste auch, legt den Dreispitz beiseite, und macht nicht ein so amtliches Gesicht.«
Wagner wäre gerne in eines der Maulwurflöcher gekrochen, die trotz der rabiaten Verfolgung durch Kampes Spaten hinter dem stummen Springbrunnen ein kleines dunkelbraunes Gebirge bildeten.
»Trinkt, Wagner.« Rosina setzte sich neben den Weddemeister, der gehorsam auf einen Stuhl gesunken war, nun mit geöffnetem Rock, nichts würde ihn dazu bringen, in dieser Gesellschaft auch noch die Weste zu öffnen, und füllte Limonade in sein Glas. » Der Weg aus der Stadt muß Euch erhitzt haben, wenn Ihr nicht sofort etwas trinkt, platzt Euch der Kopf.«
»O nein«, rief Claes vergnügt, und hielt Rosina auch sein Glas entgegen, »es war nicht der lange Weg. Es war mehr die Kutsche. Damit also doch auch der lange Weg, obwohl er das eigentlich gar nicht ist, lang, meine ich. Jedenfalls nicht mit der Kutsche.«
Anne verstand kein Wort und verlangte lachend Aufklärung. Claes und Augusta hatten Wagner auf dem Gänsemarkt getroffen und darauf bestanden, ihn mitzunehmen. Alle Proteste und höflichen Ausflüchte hatten nichts genützt, immerhin hatte der Weddemeister darauf beharrt, nicht neben dem Scholarchen und seiner ehrwürdigen Tante Platz zu nehmen, sondern sich auf das schmale Brett hinter der Sitzbank der Kutsche zu zwängen, das für einen Lakaien bestimmt war, aber nie benutzt wurde. Hätte er gewußt, welche Schüttelei das bedeutete, wäre er womöglich nicht so entschieden auf die Wahrung der guten Sitten und des korrekten Abstandes zu Personen eines höheren Standes bedacht gewesen.
Blohm, schon ein Mann in mittleren Jahren, als er den jungen Claes Herrmanns vor langer Zeit zu dessen Lehrzeit nach London begleitet hatte, kam mit einer großen Terrine aus der Küche, und die köstliche Suppe aus pürierten Gurken in frischem Rahm mit Dill, weißem Pfeffer und einer Prise geriebener Muskatnuß rettete Wagner vor der Pein, Mittelpunkt zu sein.
Anne dankte Blohm, füllte selbst die Teller, und der alte Diener, er hatte Wagner mit keinem Blick gewürdigt, wahrscheinlich hätte er ihn auch beim Auffüllen der Suppe übersehen, ging steifbeinig zurück in die Küche. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Für Herrn Niklas und den anderen Jungen haben wir was zurückbehalten«, sagte er, und seine steinerne Miene verriet, daß er diese neue Sitte, die der jungen Generation gestattete, zu spät oder womöglich gar nicht zum Essen zu erscheinen, ganz und gar nicht billigte.
»Danke, Blohm, das ist sehr freundlich. Die beiden müssen bald kommen. Tatsächlich«, fuhr Anne an Claes gewandt fort, »sollten sie längst zurück sein.«
Es waren schon mehr als zwei Stunden vergangen, seit Niklas die Erlaubnis erbeten hatte, mit Muto den Garten zu
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