Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Versuch.
    »Stirb, du Mörder!«, presste Eglon wutentbrannt hervor, als er in Reichweite des Antischs war. Er holte mit dem Schwert aus.
    Natsar ließ die Hände fallen und schoss seinen Stachel ab.
    Der giftige Dorn bohrte sich in Eglons Wange.
    Auf der Stelle schien der Priester zu versteinern. Natsar hatte diese Reaktion oft beobachtet – der Schock lähmte den Körper, noch ehe das Gift seine Wirkung entfaltete. Mit einem Fußschwung hieb er Eglon die Beine weg.
    Der Priester fiel wie ein nasser Sack.
    Sein Kopf war noch nicht am Boden aufgeschlagen, als Natsar sich schon aufgerichtet hatte. Keinen Augenblick zu früh, denn schon musste er dem Lanzenstoß eines Gardisten ausweichen. Während die Klinge am Kopf des Königs vorbeizischte, fing er den Schaft ein und entriss dem Soldaten die Waffe. Fauchend wirbelte sie in Natsars Händen herum und schoss auf den verdutzten Krieger zu. Die Spitze drang zwischen den metallbeschlagenen Lederstreifen hindurch in dessen Unterleib ein und zuckte sofort wieder zurück. So zu töten hatte Natsar seinem Sohn beigebracht, weil man nie sicher sein konnte, ob in den Adern des Gegners das giftige Blut der Nebelmenschen floss.
    Der König holte aus und schleuderte den Spieß mit brachialer Gewalt auf den zweiten Gardisten, der hinter einem hauchzarten Schleier mit erhobenem Schwert herbeistürmte. Der Stahl durchschnitt das golddurchwirkte Tuch, durchschlug den Brustharnisch des Soldaten und bohrte sich in sein Herz.
    Natsar keuchte. Wenigstens seine Muskeln und Reflexe funktionierten noch. Er lief zu dem Gardisten, der sich im eigenen Blut am Boden wälzte, und brach ihm das Genick. Danach fiel die Anspannung von ihm ab. In euphorischer Stimmung wandte er sich wieder dem Oberpriester zu.
    Der lag auf dem Rücken, die Augen weit aufgerissen. Todesfurcht spiegelte sich darin.
    Natsar lächelte auf ihn herab. »Ein hässliches Gefühl, nicht wahr? Wenn alle Sinne Alarm schlagen, aber der Körper nicht darauf reagieren kann – das muss grauenvoll sein.«
    Auf der Stirn des Priesters perlten Schweißtropfen. Er stieß einen verzweifelten Laut aus. Nicht einmal seine Zunge gehorchte ihm mehr.
    Auf Lebesis Leiche deutend, sagte Natsar im Plauderton: »Der Gemahl Eurer Herrin, König Baha, war einmal in einer ähnlichen Lage wie Ihr. Ich habe ihn aufgegessen. Es ist einfach so über mich gekommen. Nicht, dass ich so einen Hokuspokus nötig hätte, um mir das Wesen eines anderen anzueignen, aber es ist doch eine nette Geste, oder? Mit dem Herzen Lebesis werde ich wohl das Gleiche tun.«
    Natsar stutzte, weil die Panik sich im Blick des Priesters noch zu steigern schien. Lag ihm so viel an seiner Herrin oder …? Mit einem Mal fiel es dem König wie Schuppen von den Augen. »Natürlich! Der Leibwächter! Deshalb hat er mich so merkwürdig angesehen, als ich Euch nur ›den Priester‹ nannte. Der Lurch wusste, dass Ihr mehr für sie gewesen seid als nur ein Ratgeber. Sie hat sich mit Euch über die Tode Bahas und Asors hinweggetröstet. Seid Ihr deshalb so schnell zur Stelle gewesen? Hat der Gardist Euch herbeigerufen?«
    Eglons Blick versprühte Hass.
    »Erspart Euch die Mühe einer Antwort«, sagte Natsar amüsiert. »Ich werde Euch ohnehin bald besser kennen als Ihr selbst – bis auf den dunklen Grund Eurer Seele. Ihr seid ein Auserwählter. Euch soll kein so grausames Schicksal beschieden sein, wie dem König und seinem Weib. Ihr werdet mich auf den Weg der Unsterblichkeit führen.«
    Hiermit kniete er sich wie ein riesenhafter Alb auf die Brust des Priesters. Sanft streichelte er ihm die Wange. Seine Stimme nahm einen zärtlichen Klang an, wie bei einer Mutter, die zu ihrem neugeborenen Kind spricht. »Schlaf, kleiner Wurm. Wenn du erwachst, wirst du dich an nichts mehr erinnern. Und bald entdeckst du völlig neue Seiten an dir.«
    Jäh schlossen sich die Pranken des Antischs wie eine Schmiedezange um Eglons Kiefergelenk. Blutige Tränen quollen aus den Augen des Priesters, der trotz unsäglicher Schmerzen nicht zu schreien vermochte. Natsar riss den Rachen auf und würgte. Gleich einem riesenhaften Blutegel schob sich das schwarzbraune Laichorgan zwischen seinen Lippen hervor.
    Als er sich zu dem Gelähmten herabbeugte, sah er in dessen vom Schreck geweiteten Augen das eigene Spiegelbild. Er drückte ihm die Lider zu. Dann ließ er den Legerüssel in die Speiseröhre des Priesters hinabgleiten.

Der Zeuge
    O g stand im eigenen Urin. Sein Schließmuskel kämpfte gegen den

Weitere Kostenlose Bücher