Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
ging zu Aragor und Pyron hinüber, die schon ungeduldig auf ihn warteten. »Seid Ihr bereit?«
Sie nickten entschlossen.
Er stieg mit Schild, Schwert und Stab die schneckenförmig angeordneten Stufen hinauf. Eine baumdicke Säule bildete das Rückgrat der Wendeltreppe. Oben angekommen, brauchte er nicht lange nach dem Hebel zu suchen, den der Priester erwähnt hatte. Er ragte direkt vor seiner Nase aus dem runden Pfeiler. Beherzt zog er daran. Hörbar setzte sich ein Mechanismus in Gang. »Du kannst die Flammen jetzt ersticken«, raunte er Pyron zu.
Der Feuerbändiger befolgte murrend den Befehl. In der Krypta wurde es dunkel.
»Kater Zur«, rief Taramis leise nach dem Lauscher, »sperr deine Ohren auf. Sobald du etwas Verdächtiges bemerkst …«
»… sag ich Bescheid. Vergiss nicht, dass mein sechster Sinn im Ungewissen fast so taub ist wie ihr.«
Taramis legte die Hand an die Treppensäule. Sie zitterte leicht. Mit kratzendem Geräusch schob sich eine schmalere Stütze daraus empor und hob eine kreisrunde Steinplatte aus der Decke heraus. Als der Mechanismus zum Stillstand kam, hatte sich über dem Tempelwächter ein etwa fünf Fuß hoher Ausstieg geöffnet.
Leise wie Jäger auf der Pirsch kletterten die drei Zeridianer hindurch.
Der Innendurchmesser des oberirdischen Grabhauses war mindestens doppelt so groß wie die Krypta. Gemein war beiden der achteckige Grundriss. Durch sechzehn schmale, mit einem Rautenmuster aus Bleifüllungen durchwebte Fenster sickerte hier und da ein wenig Licht. In einem konnte Taramis den verschwommenen Schemen des Vollmondes sehen, andere zeigten Laternen oder Feuerschalen im Park.
Die Geheimtür, die sich aus dem Boden geschoben hatte, sah aus wie ein runder Steintisch. In Sternformation waren um diesen herum sechzehn Steinsarkophage aus weißem Alabaster angeordnet. Ansonsten dominierte heller Marmor den Raum. In der Wand unter den Fenstern ließen sich weitere Gräber ausmachen, die mit beschrifteten Grabplatten versiegelt waren.
»Alles ruhig«, flüsterte Aragor.
»Sollen die toten Priester dir etwa ein Ständchen singen?«, kicherte Pyron.
»Still jetzt«, raunte Taramis. Er deutete in verschiedene Himmelsrichtungen. »Lasst uns einen Blick durch die Fenster werfen. Ich möchte wissen, ob immer noch so viele Suchtrupps im Park unterwegs sind.«
Lautlos verteilten sie sich im Raum.
Die dicken Bleiglasscheiben erschwerten ihr Vorhaben. Dahinter sah man nur verschwommene Schemen. Hinzu kam das Dunkel der Nacht, das weder die Gestirne noch die Feuer im Park wirklich erhellen konnten. Trotzdem bemerkte Taramis plötzlich eine verdächtige Bewegung.
Jemand huschte von einem Baum zum nächsten.
Rasch trat er zwei Schritte vom Fenster zurück.
Mit weit aufgerissenen Augen versuchte er, das verschleierte Bild in seinem Geist festzuhalten. Er hatte eine Gestalt gesehen. Das hätte ihn kaum beunruhigt, wenn sie ihm wie ein Leibgardist oder Höfling vorgekommen wäre. Doch etwas an dem undeutlichen Schemen war anders gewesen. Er hoffte, dass durchs Fenster nicht sein eigenes helles Gesicht …
»Ein Fischkopf!«, stieß er leise hervor. Mit einem Mal war ihm klar, was er in dem welligen Glas erblickt hatte. Wie gebannt starrte er auf den Baum, hinter dem der Dagonisier verschwunden war.
»Pst!« Es war Aragor, der sich auf diese Weise bemerkbar machte.
Ohne den Blick von dem Fenster zu nehmen, winkte ihn Taramis aufgeregt zu sich. Auch der Feuerbändiger gesellte sich den beiden hinzu.
»Da draußen schleichen Leibgardisten herum«, flüsterte der Schattenschmied.
»Auf meiner Seite auch«, bestätigte Pyron.
»Und ich habe einen Antisch gesehen«, berichtete Taramis.
»Einen Fischkopf? Was hat das zu bedeuten?«
»Es bedeutet, dass wir verraten wurden. Da!« Taramis zeigte mit der Stabspitze durchs Fenster. Hinter dem Baum huschte eine verschwommene Gestalt hervor.
»Du musst dich geirrt haben. Das ist ein gewöhnlicher Krieger«, wunderte sich Pyron.
Taramis ahnte, wen er gerade gesehen hatte. Er schüttelte den Kopf. »Ein Krieger ja, aber kein Ungestreifter. Nicht mal ein normaler Feuermensch.«
Der gestohlene Mond
B innen weniger Augenblicke hatte Taramis seine Mannschaft mobilisiert. Ihnen blieb wenig Zeit. Jeden Moment konnte die Falle zuschnappen. Während der komanaische Hauptmann und die Zeridianer ins Grabhaus hinaufstiegen, arbeitete er fieberhaft an einem Plan.
Über der Geheimtür bildeten alle neun einen Kreis. Kurz und knapp legte er den
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