Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
sich glänzend über mächtigen Muskeln. Man hatte ihn gereinigt und mit wohlriechenden Ölen eingerieben, um den Gestank zu vertreiben. Das Halskorsett war einem blutigen Verband gewichen. Offensichtlich hatten die Männer der Palastwache beim Ausreißen der Stacheln wenig Feingefühl an den Tag gelegt. Die kräftigen Finger des Feuermenschen umklammerten die engen, blank polierten Gitterstäbe, als wollten sie diese zerquetschen. Seine Hand- und Fußgelenke waren aneinandergekettet.
»Ich hoffe, du kannst ohne die Manschette wieder frei atmen«, spöttelte Lebesi.
Natsar funkelte sie nur böse an.
Sie trat dicht an den Käfig heran, der gerade groß genug war, dass der Antisch darin stehen oder sich niederkauern konnte. Voller Verachtung reckte sie ihm das Kinn entgegen. »Was soll dieser vorwurfsvolle Blick? Du solltest mich eigentlich besser als jeder andere verstehen. Oder hast du mehr Gnade gezeigt, als du meinen Gemahl vor nunmehr fast dreizehn Jahren ermordet hast?«
Der König schob sein furchterregendes Fischgesicht ganz dicht an die Gitterstäbe heran. Seine kalten Glubschaugen fixierten Lebesis Blick. »Ich habe sein Herz und seine Leber verspeist.«
Sie wich entsetzt einen halben Schritt zurück. » Was? Warum?«
Er grinste. »Wahrscheinlich nur eine Sentimentalität. Wir glauben, dadurch das Innerste des Getöteten in uns aufzunehmen: seine Gedanken, Gefühle – das ganze Wesen.«
Lebesi erschauderte. »Habe ich deshalb zu spät bemerkt, dass nicht mein Mann bei mir lag, sondern das Ungeheuer, das seine Seele fraß?«
»Vielleicht hast du Baha nicht genug geliebt.«
»Du lügst!« , herrschte Lebesi den Antisch an. »Der König hatte viele Mätressen, aber ich war immer seine Favoritin. Deshalb ist auch Og der einzige legitime Thronerbe und nicht …« Ein weiterer Schauer ließ ihre Stimme ersticken.
Natsar lächelte hämisch. »Nicht das fischköpfige Kind, das du sechs Monate später entbunden hast? Wie mir berichtet wurde, hast du die Hebamme und ihre Helferinnen töten lassen, nachdem die Nabelschnur durchtrennt war.«
Sie keuchte. »Was blieb mir anderes übrig? Niemand achtet eine Königin, die bei einem Fisch lag.«
»Ich bin ein Mensch so wie du und …«
»Hast du nie in den Spiegel gesehen?«, fiel sie ihm wütend ins Wort. »Du bist ein Monstrum. Was anderes als die Brut eines Unholds wie dir könnte nach sechs Monaten kräftiger als jedes Menschenkind das Licht der Welt erblicken? Nach einem halben Jahr war mein Leib nicht mehr aufgebläht, und niemand hat ernsthaft an der Geschichte von der Fehlgeburt gezweifelt.«
»Abgesehen von den Gerüchten, die sich trotz Androhung der Todesstrafe hartnäckig halten«, sagte Natsar spöttisch.
»Wenigstens konnte ich das Geheimnis des kleinen Bochim bis heute hüten. Sie nennen mich zwar eine Hexe, aber niemand hält die Wahrheit ernsthaft für möglich. Sogar mir kommt es wie ein bizarrer Alptraum vor. Ich habe einen Seelenfresser an meiner Brust genährt, der meinen treuesten Freund tötete.«
»Deine Leibesfrucht hätte dir als Trost genügen sollen. Stattdessen wirfst du dich deinem Leibwächter an den Hals und erzählst ihm alles über das Kind.«
»Bochim war vier Jahre alt. Ich hatte ihn noch nicht einmal entwöhnt.«
»Das ist für einen Antisch durchaus normal. Wir sind eine weitaus mächtigere Rasse als ihr Ungestreiften.«
»Den Lobgesang auf eure Dominanz kenne ich, seit du mir meinen Sohn mit sechs Jahren weggenommen hast«, schnitt Lebesi ihm das Wort ab und verdrehte die Augen. »Mit neun können eure Jungen schon Nachkommen zeugen und mit zehn werden sie in den Kreis der Männer aufgenommen. Ihr könnt hundertzwanzig Jahre und älter werden. Das alles sagt aber gar nichts aus über die wahre Größe eines Volkes. Auch Krokodile wachsen schnell und leben lange. Trotzdem sind sie nur wilde Tiere.«
»Unsere Bestimmung ist es, über Berith zu herrschen, meine hübsche Kaulquappe«, entgegnete der König amüsiert. »Und dein kleiner Bochim wird Dagons Kindern den Weg dazu ebnen. Wir sind geborene Krieger. Du weißt selbst, wie weit es dein Sohn bereits mit zwölf gebracht hat. Erst vor wenigen Tagen tötete er im Handumdrehen vier Zeridianer. Die Giftblüter aus Zeridia kann sonst fast niemand bezwingen, schon gar nicht im Kampf Mann gegen Mann.«
»Sprichst du von den Tempelwächtern, den Leuten von Taramis? Ich fürchte, damit hat er sich einen mächtigen Krieger zum Gegner gemacht.«
Der König zuckte mit den
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