Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
unversehrt. Sein ohnehin hageres Gesicht wirkte so eingefallen wie bei einem Greis. Der Geistwirker war mental völlig erschöpft.
»Asor hat mir das Herz herausgerissen.«
»Du hast ihn entkommen lassen?« Kein Vorwurf, nur Verwunderung sprach aus der Frage.
»Er ist ein Seelenfresser. Reghosch! Als er Xydias Gestalt annahm, konnte ich nicht zustechen.«
Marnas schnappte nach Luft. »Das bedeutet …«
Taramis nickte. »Er hat sie getötet. Deutlicher hätte er es mir nicht zeigen können.«
»Ich habe keine guten Nachrichten für dich. Die Palastwachen haben sich zwar zurückgezogen, aber Aragor und Oban sind schwer verletzt. Ich fürchte, ich kann nichts mehr für sie tun.«
Neue Tränen liefen Taramis über die Wangen. Seine Nerven lagen völlig blank. »Es ist alles meine Schuld.«
»Das stimmt nicht, mein Sohn. Die Kinder der Finsternis bringen Leid über Berith. Du hast nur versucht, ihnen Einhalt zu gebieten.«
»Und bin gescheitert.«
»Nein. Das bist du nicht. Sooft du im Leben auch fällst, kannst du doch immer wieder aufstehen. Du musst es nur wollen. Gib nicht auf. Der Kampf ist noch nicht verloren. Und nun komm! Wir müssen uns zurückziehen, bevor sie wiederkommen.«
Taramis nickte. Sein Haupt fühlte sich wie Blei an. Marnas half ihm auf die Beine und sie liefen zu den anderen Gefährten.
Gabbar und Masor legten Aragor gerade auf eine provisorische Trage aus komanaischen Lanzen und Langschilden. Ihre fast schwerfälligen Bewegungen zeugten ebenso von Behutsamkeit wie von Erschöpfung. Der Schattenschmied war ohne Besinnung. Zur drückte ihm ein blutdurchtränktes Stoffbündel auf den Leib.
»Er wurde regelrecht aufgespießt«, erklärte der Hüter. »Die Spitze ist unterhalb des linken Rippenbogens eingedrungen und am Rücken wieder ausgetreten.«
»Warum hast du die Wunde nicht verschlossen, so wie bei mir?«
»Das habe ich. Aber die zerstörten Organe kann selbst ich nicht wiederherstellen.«
Taramis legte dem bewusstlosen Freund die Hand auf die Stirn und sprach ein stilles Gebet.
Als er den Blick hob, stand Gabbar neben ihm. Die Leiden der Gefährten hatten wieder einmal die empfindsame Seite des bärtigen Riesen zum Vorschein gebracht. Dicke Tränen liefen ihm über die Wangen. Taramis klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich Oban zu.
Marnas hatte inzwischen den Spieß aus der rechten Brust des Verwundeten entfernt und mittels Geisteskraft die Wundränder zusammengefügt. Mehr konnte er auch für ihn nicht tun.
Der Hauptmann lag noch im Gras. Im Mondlicht sah er so fahl aus wie Gevatter Tod. Dennoch lächelte er, als er Taramis sah. »Jetzt erübrigt sich die Frage, ob die Drachenkröte eine Kiemenkapsel hat. Ob mit oder ohne – ich kann mit Euch kommen.«
»Du wirst wieder gesund, mein Freund«, sagte Taramis. Ganz bewusst benutzte er die vertrauliche Anrede.
»N-nein«, widersprach Oban und mit schwächer werdender Stimme erklärte er: »Wenn dieser fischköpfige Bastard mich findet, wird er meinen Kopf aufspießen und an der Stadtmauer zur Schau stellen. A-aber … das Schlimmste ist …« Er verstummte, seine Augen fielen zu.
»Oban!«, entfuhr es Taramis.
»Ich … bin noch da«, antwortete der Hauptmann leise.
Taramis griff nach seiner schwieligen Hand. »Mit Bastard – meinst du damit Asor?«
»Wen sonst?«
»Du weißt etwas über ihn, nicht wahr?« Taramis beugte sich zu dem Hauptmann herab, weil er kaum noch zu verstehen war.
Neben ihm kniete sich Marnas ins Gras, nahm seine andere Hand und erklärte: »Ich will versuchen, ihm etwas Kraft einzuflößen.«
Obans Stimme klang tatsächlich wieder fester. »Und ob ich etwas über den Bastard weiß. Lebesi vertraute mir. Ich musste ihr bei meinem Leben schwören, es niemandem zu sagen. Doch nun ist sie selbst tot. Damit ist ihr Bann gebrochen.«
»Geht es bei dem Versprechen um Asors wahre Natur? Er ist ein Antisch. Sogar ein Seelenfresser.«
»Nein, Lebesi wollte nicht, dass ich ihren Sohn verrate.«
Taramis schüttelte verständnislos den Kopf. »Og?«
Oban riss unvermittelt die Augen auf. » Reghosch! «
»W-was? Aber wie kann ein Fischkopf …?«
»Gaal ist sein Vater. Er ist als König Bahas getarnt zu Lebesi ins Bett gestiegen und hat ihr den Bastard in den Schoß gelegt. Er benannte den fischköpfigen Knaben nach dem Donner, für sie war er stets der kleine Bochim, weil sie seinetwegen so viele Tränen vergossen hat.«
Marnas und Taramis sahen sich über den Sterbenden hinweg an. Mit einem Mal
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