Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
doch sowieso im Sterben. Wir können nichts mehr für ihn tun.«
»Und ob! Ich hatte dich ans Ende des Zuges geschickt, weil deine Geistgaben hier mehr gefragt sind als deine Muskeln. Aber wenn du deine Verantwortung nicht tragen willst, dann trägst du eben einen gefallenen Kameraden. Geh und löse Zur ab.«
»Du setzt für die Toten unser Leben aufs Spiel. Es ist nicht einmal sicher, ob du die Drachenkröte reiten kannst. Auf alle Fälle wirst du Zeit dazu brauchen, sie deinem Willen gefügig zu machen. Zeit, die uns fehlen wird, wenn …«
»Wir haben Madon, Siph, Adámas und Purgas von Zin mitgenommen, und so werden wir es hier auch mit Oban und Aragor halten. Das ist mein letztes Wort. Wenn du mir nicht folgen willst, dann lass es.«
Pyron senkte den Blick und murmelte: »Ich löse dann mal Zur ab.«
» Warte! Das habe ich doch nur gesagt, um dich zur Vernunft zu bringen. Ich brauche dich, mein Freund, und zwar am Ende des Zuges. Geh bitte wieder nach hinten und heize den Gardisten ein, falls sie uns Schwierigkeiten machen.«
Der Feuerbändiger murmelte einen kaum verständlichen Dank und ließ sich zurückfallen.
Überrascht blickte Taramis dem jungen Hitzkopf hinterher. Dabei traf sich sein Blick mit dem des Hüters. »Warum hat er sich bedankt, Meister?«
»Weil du ihm gesagt hast, dass du ihn brauchst, und ihn gebeten hast, anstatt ihm zu befehlen. Du bist ein besserer Anführer als du denkst, Taramis.«
Er drehte sich um und fragte sich, wie es Marnas immer wieder schaffte, seine innersten Gefühle zu erkennen. Vor der Kolonne lichteten sich die Bäume. Das musste die Wiese sein, die er vom Meer aus gesehen hatte. Hoffentlich war die Drachenkröte noch da.
Auf einmal fauchte es in seinem Rücken. Er wirbelte herum und sah einen lichterloh brennenden Baum.
»Sie greifen an!«, meldete Pyron. Er streckte den rechten Arm aus, beschrieb einen Halbkreis und weitere Bäume gerieten in Brand.
»Gut gemacht!«, rief Taramis. Die Flammenbarriere sollte die Palastwachen eine Weile aufhalten. Er bedeutete den Gefährten, ihm so schnell wie möglich zu folgen und begann auf die Freifläche hinauszulaufen.
Die Drachenkröte war noch da! Im Sternenlicht sah sie aus wie ein Hügel am Ende der Wiese. Beim Näherkommen fiel Taramis die wunderschöne Schildzeichnung aus hellen Ovalen auf. Gaals Geschenk war einer Regentin von königlichem Geblüt würdig, eine regelrechte Prunkkröte. Ihre Ausmaße reichten bei Weitem nicht an die des Tieres heran, das die dagonisischen Krieger und ihre Gefangenen nach Zin gebracht hatte. Gleichwohl handelte es sich um ein Geschöpf von Ehrfurcht gebietender Größe. Das gehörnte Haupt war dem Feuerband zugewandt.
Oder fixiert sie mich? , fragte sich Taramis. Angeblich waren Drachenkröten ja bei Weitem nicht so biestig wie Ätherschlagen, sondern eher träge und gutmütig. Einige ließen sich sogar von verschiedenen Reitern lenken, hieß es. Zur Sicherheit hielt er trotzdem auf das Schwanzende des Schwallwesens zu, den Stab Ez fest umklammert.
Mit einem weiten Satz sprang er auf den Panzer und lief nach vorne. Mehrmals musste er über die Kammern hinwegsetzen, in denen sie später Schutz finden würden – sofern sich das Monstrum seinem Willen fügte. Als er den Blick dem Feuer zuwandte, sah er seine Gefährten. Sie hatten das Tier fast erreicht. Er bedeutete ihnen mit einem Wink, aufzusteigen.
Am Kopfende wölbte sich eine transparente Kuppel aus dem Panzer: eine Kiemenkapsel. Sie schimmerte wie ein blank polierter gefasster Kristall. Zeridianer nannten derlei Hilfsmittel despektierlich »Gewächshäuser«. Diese verfügten über einen künstlich geschaffenen Zugang zum Kiemenapparat des Schwallwesens und versorgten die Reisenden mit Frischluft. Oban hätte seine Kameraden begleiten können.
Während die Gefährten den immer noch bewusstlosen Aragor und Obans Leiche auf den Rücken der Kröte hievten, umrundete Taramis die Kapsel.
Vom Rand der Wiese hallten Signalhörner zu ihnen herüber. Die Verfolger hatten die Feuerbarriere umgangen und kamen zwischen den Bäumen hervor. Ihr Vormarsch war nicht gerade ein Sturmlauf. Offenbar wollten sie den Gegner erst abtasten, um sich ein Gefühl für die Reichweite seiner mentalen Waffen zu verschaffen.
Bogenschützen reihten sich auf und schossen eine Salve ab. Keiner der Pfeile erreichte sein Ziel.
»Marnas, Gabbar, Pyron, ich brauche noch einen Moment Zeit«, rief Taramis seinen Freunden zu.
»Wir sind zu ausgelaugt, um
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