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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wollte er mit seinem letzten Atemzug nur Angst und Schrecken säen? Das war ihm zweifellos gelungen. Taramis sehnte sich danach, Xydia in die Arme zu schließen und das Erlebte wie einen bösen Traum hinter sich zu lassen. Und sie war nicht der einzige Mensch auf Jâr’en, den er innig liebte. Nicht minder sorgte er sich um seine Mutter Lasia. Hinzu kamen Marnas und Eli. Sie hatten seine Entwicklung zum Mann als väterliche Ratgeber begleitet. Und in manchem Kameraden der Tempelgarde sah er einen Bruder.
    Als Jâr’en im Ätherischen Meer erschien, wurde die Anspannung unerträglich. Zum zweiten Mal seit dem Aufbruch dämmerte der Morgen. Die Heilige Insel schimmerte wie ein tiefgrüner Smaragd auf violettem Samt. Diese Illusion entstand hauptsächlich im Äther. Je nach Blickrichtung änderten sich die Farben des Himmels. Im direkten Umfeld der Sonne strahlte er hellblau, ihr gegenüber konnte er tiefschwarz sein. Auf dem Weg vom Licht zur Dunkelheit betörte er das Auge mit mannigfachen Schattierungen von Gelb, Orange, Rot und sattem Purpur. Je nach Lage einer Scholle im Weltenozean waren diese Wechsel dramatisch oder verschwindend gering.
    Während Allon mit majestätischer Anmut auf Jâr’en zuschwallte, nahm Taramis die Details der Insel deutlicher wahr. Sie war wie die meisten Eilande Beriths von einer Sphäre aus Luft umgeben, die bei schräg einfallendem Licht irisierend schimmerte. Dann glich sie einer großen Seifenblase, wie Xydia einmal gescherzt hatte. Im Moment war diese schützende Hülle so gut wie unsichtbar.
    Das Innere der ovalen Scholle bedeckte ein einzigartiger Wald: Gan Nephaschôth , der »Garten der Seelen«. Seine Pflege oblag den Ganesen, die über ein besonderes Gespür für die belebte Schöpfung verfügten. Sie dienten auf Jâr’en schon seit Äonen als Gärtner. Jedes vernunftbegabte Wesen von Berith hatte ein vitales Interesse am Gedeihen des Heiligen Hains, denn für jedes Kind, jede Frau und jeden Mann stand darin ein Baum. Als Sprössling war er im Augenblick ihrer Geburt aus dem Mutterboden emporgekommen, und er ging ein, sobald der Mensch für immer die Augen schloss. Welches Individuum am jenseitigen Ende dieses unsichtbaren Lebensbandes hing, das wusste niemand, nicht einmal die Symbionten selbst. Deshalb galten sämtliche Pflanzen im Garten der Seelen als unantastbar.
    Beth Gao, das hinter dem Hain liegende Haus Gaos, konnte Taramis noch nicht sehen. In seiner wechselvollen Geschichte war aus dem einstigen Tempel ein heiliger Bezirk aus zahlreichen Gebäuden entstanden. Das ummauerte Areal ragte bis an den Rand des Eilands heran und grenzte gegenüber an einen fischreichen See.
    Was unter Jâr’ens Oberfläche lag, offenbarte sich nur dem, der sich in den Weltenozean hinauswagte. Die fruchtbare Krume bildete nur die Krone eines gigantischen Zapfens, der tief in die Luftsphäre hinabragte. Manche Schollen sahen für Taramis aus wie Backenzähne mit mehreren Wurzelzweigen. Die Heilige Insel hatte im Gegensatz dazu ein nahezu kegelförmiges Fundament, so wie ein kopfstehender Vulkan.
    Von dem Rauch aufstieg.
    Der kam aber nicht unten aus der Kegelspitze heraus, sondern quoll als schwarzer Qualm hinter den Baumkronen hervor. Taramis’ Augen verengten sich. Das waren weder Herdfeuer noch der Altar. Da musste ein Haus in Flammen stehen, wenn nicht gar mehrere. Ihm schwante Übles. Gulloths Fluch drängte sich in seinen Sinn. Die Sorge um Xydia war also berechtigt gewesen. Mit bebenden Lippen formte er ihren Namen.
    Im nächsten Moment hatte er sich wieder in der Gewalt und feuerte sein Mamogh an. »Schnell, Allon! Wir werden auf der Insel gebraucht.« Seine Stimme verlor sich fast in der dünnen Luft des Äthers. Doch die Echse verstand ihn auch ohne Worte. Sie erhöhte die Schlagzahl ihrer mächtigen Schwingen. Taramis löste Ez aus der Sattelschlaufe und streifte das Futteral ab. Nur eine Vorsichtsmaßnahme. Bestimmt würde er den Stab nicht brauchen …
    Seine Hoffnung zerstob jäh, als er von der Insel Tiere aufsteigen sah. Er zählte ein halbes Dutzend großer Donnerkeile, die Geflügelten Streitäxte der Kirries. »Freibeuter?«, murmelte er verwundert. Die scheinbar nur aus Schwingen bestehenden Amphibien mit ihren flachen, rautenförmigen Körpern waren jedenfalls typisch für die gnomenhaften Bewohner der Höhlen von Malon. Ein Piratenüberfall auf Beriths größtes Heiligtum? Taramis konnte es nicht glauben.
    Er ließ sein Mamogh tiefer schwallen, wodurch sich das

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