Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
musste er hilflos mit ansehen, wie das Schlangenwesen sich gleich einem Krokodil um die eigene Körperachse drehte und Allon den Flügel ausriss. Das Blut beider Tiere vermischte sich im Äther.
»Allooonn!« Sein langgezogener, von tiefster Verzweiflung getragener Schrei endete jäh, als er hart gegen Tumbas Panzer prallte und herumgeschleudert wurde. Fast wäre ihm dabei auch noch Ez entglitten. Taramis brüllte wie wahnsinnig vor Schmerz und ohnmächtiger Wut. Das Seelenband zwischen ihm und Allon schien zu brennen. Er spürte, wie sein riesiger Freund litt, wie das Leben aus ihm herausströmte. Von dieser schrecklichen Wunde konnte er sich unmöglich erholen.
Benommen und haltlos rutschte Taramis über den großen Schild der Drachenkröte hinweg. Dabei erhaschte er einen Blick auf die Ätherschlange, die auf Tumba herabstieß und sich unversehens in Reghosch zurückverwandelte. Shúria! Der ihm durchs Hirn blitzende Name rüttelte ihn wach. Er durfte sich nicht aufgeben.
Taramis streckte Arme und Beine aus, machte sich steif, um die Kontrolle wiederzugewinnen. Mit dem Kopf voraus schlidderte er auf den Rand des Panzers zu. Er biss die Zähne zusammen, schickte ein Stoßgebet gen Himmel, glitt über die Kante …
… und rammte den Stab in das Loch, das er im letzten Moment am Schildrand entdeckt hatte.
Es kam ihm so vor, als würden ihm die Arme ausgerissen wie zuvor seinem Freund der Flügel. »Allon!«, klagte er. Tränen schossen ihm in die Augen. Wie viele wunderbare Stunden hatten sie gemeinsam verbracht, waren geschwallt und geflogen, hatten gejagt und herumgetollt. Leise, fast wimmernd, wiederholte er immer wieder den Namen des sterbenden Gefährten. Am liebsten hätte er dem Schmerz in den Armen nachgegeben und sich einfach treiben lassen.
Doch sein Wille war stärker. Taramis klammerte sich weiter an den schwarzen Stab und sammelte Kraft. Seine Aufgabe war noch nicht erledigt. Über ihm zitterten wahrscheinlich gerade zwei Menschen, weil ein zorniger Antisch auf sie zuwankte.
Ein, zwei Herzschläge lang schloss Taramis die Augen. Merkwürdigerweise erschien in seinem Geist nicht Eli, nicht der für Beriths Rettung so wichtige Mann, sondern das Gesicht von Shúria.
Sie war nicht mehr das Mädchen, das er so oft als störendes Anhängsel Xydias empfunden hatte, wenn er mit seiner Liebsten allein sein wollte. Er musste sich eingestehen, dass ihre Schönheit selbst die ihrer älteren Schwester übertraf. Seltsam, dass ihm derlei Äußerlichkeiten ausgerechnet jetzt durch den Sinn gingen. Warum sah er Shúrias Antlitz und nicht das ihres Vaters? Lag es an der Ähnlichkeit mit der Frau, die er über ihren Tod hinaus so sehr liebte? Oder sollte er es als Zeichen Gaos betrachten? War das Schicksal Beriths an die junge Seherin geknüpft, so wie angeblich auch an ihn? Der Gedanke ließ neue Kraft in seinen geschundenen Körper strömen.
Taramis zog sich am Stab hoch und schwang sich auf den Drachenkrötenschild. Dabei blieb er tief geduckt, um hinter der Wölbung des Panzers Deckung zu finden. Weder von Reghosch noch von seinen Geiseln war etwas zu sehen. Taramis nahm den Schild Schélet vom Rücken, dann lockerte er Schwert und Dolch, um sie schneller zur Hand zu haben. Schließlich zog er Ez mit einem Ruck aus dem Loch, in das er ihn zuvor hineingerammt hatte. So gerüstet schlich er auf die Kuppe des Drachenkrötenpanzers zu.
Bereits nach wenigen Schritten kam das Haupt des Feuermenschen in Sicht. Aber wo waren Shúria und Eli?
Reghosch hatte ihn entdeckt. Seine Barteln zitterten aufgeregt, die Halskrause war aufgestellt und die großen Augen funkelten zornig. »Du brauchst dich nicht zu verstecken. Komm ruhig näher«, rief er über den Schild hinweg.
Für Taramis hätte es dieser Aufforderung nicht bedurft. Je kürzer die Distanz zum Feind, desto besser die Chancen ihn zu besiegen, dachte er. Als er sich im Laufen aufrichtete, erschauderte er.
Der Antisch hatte Shúria. Mit dem linken Arm drückte er sie an sich und hielt ihr wie schon im Kerker von Karka die Klinge seines Feuerfischschwertes an den Hals. Weil sie ihm nicht einmal bis an die Brust reichte, hatte Taramis sie zuvor nicht gesehen.
»Das ist nahe genug!«, sagte Reghosch, als nur noch etwa vier Schritte die beiden Krieger trennten. Sein Gesicht war von Schmerzen verzerrt. Er hatte sich des Harnischs entledigt, wohl um die Wunde zu untersuchen.
Taramis blieb stehen. Jetzt sah er auch Eli. Der Hohepriester lag ein Stück weiter
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