Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
den betäubten Hohepriester zu erreichen. Als er hinter sich den Verfolger bemerkte, wirbelte er herum und schoss aus seinem Kragen einen Giftstachel ab. Taramis lenkte Schélet in die Flugbahn und stieß mit dem Schwert zu. Der Feuermensch parierte die Attacke keuchend mit der eigenen Waffe. Sein rechtes Bein glänzte vom Blut, das immer noch aus der Bauchverletzung hervorsickerte. Hinter den sich kreuzenden Klingen löste sich ein weiterer Stachel aus seiner Halskrause. Fast zu spät bemerkte Taramis das Geschoss und fing es ab. Sein riesenhafter Gegner war trotz der stark blutenden Wunde weitaus gefährlicher als der schlitzohrige Kirriekönig. Er durfte ihn auf keinen Fall unterschätzen.
Um Bochim zu zermürben, beschwor Taramis Trugbilder herauf, ein ganzes Dutzend Doppelgänger seiner selbst. Diese ließ er um den Antisch herumtanzen und unentwegt Scheinattacken ausführen. Notgedrungen musste sich der Angegriffene gegen jeden Hieb und Stich verteidigen, weil es ihm unmöglich war, Gaukelei und Wirklichkeit zu unterscheiden. Dabei geriet er zunehmend in Raserei und verschoss einen Giftstachel nach dem anderen. Schließlich hatte er keine Munition mehr und hieb nur noch mit dem Schwert auf die Schimären ein.
Plötzlich prallte Klinge auf Klinge – zufällig hatte der Antisch den richtigen Gaukler gefunden. Einen Wimpernschlag lang zögerte er, als sei er von der Existenz eines realen Gegners überrascht. Taramis ließ seine Waffe herumwirbeln und zielte auf die Schwerthand des Widersachers.
Abermals reagierte Bochim übermenschlich schnell, konnte sich diesmal aber nicht rechtzeitig zurückziehen. Malmath fügte ihm eine tiefe Wunde am Handgelenk zu. Die Pranke des Riesen sprang unter dem Schmerz auf, das Fischkopfschwert entglitt seinem Griff.
Sofort setzte Taramis nach, um ihm die eigene Klinge ins Herz zu treiben. Er wähnte sich schon als Bezwinger des Seelenfressers, als dieser plötzlich den Oberkörper wegdrehte. Malmath streifte nur seine Brust. Zugleich schnappte Bochim mit der Linken nach dem Handgelenk des Tempelwächters und riss es mit solcher Gewalt herum, dass Taramis der Arm ausgekugelt wurde.
Er schrie vor Schmerz und ließ das Schwert fallen. Wütend versuchte er mit Schélet zuzuschlagen, doch der Antisch fing dadurch auch noch seinen Schildarm ein. Dann packte er ihn mit der verletzten Rechten am Hals. Taramis hatte das Gefühl, seine Knochen würden unter dem Griff des Dagonisiers zermalmt und sein Genick müsse jeden Moment brechen. Sollte ihm Letzteres erspart bleiben, drohte der Erstickungstod – er bekam keine Luft mehr in die Kiemen.
»Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass diese Geschichte hässlich für dich enden wird?«, fragte Bochim. Seine Fischfratze schob sich nahe an Taramis’ Gesicht heran. »Jetzt gehen wir beide den Weg der Unsterblichkeit. Du wirst der Nährboden für meine Larve sein, aus der ich neu erstehe. Sieh das bitte nicht als Strafe, sondern als Ehre. Mit deinem Wissen und deinen Fähigkeiten werde ich erreichen, wovon meine Eltern nicht einmal zu träumen wagten. Und nun schließe deine Augen, tapferer Krieger, das macht es für dich leichter.«
Taramis meinte, sein Kopf müsste zerplatzen, weil die Blutzufuhr durch den Klammergriff des Riesen nahezu unterbrochen war, von der Atemluft ganz zu schweigen. Als Bochim den Mund aufriss und seinen Legerüssel hervorwürgte, packte Taramis blankes Entsetzen. Der Rüssel näherte sich langsam, aber unaufhaltsam seinen Lippen. Der Griff am Hals löste sich, um den Weg für die Brut des Bösen freizumachen.
Taramis bekam dadurch wenigstens wieder Luft, doch schon spürte er eisenharte Finger an seinen Kiefergelenken, wie mit einer Schmiedezange drückten sie zu. Vor Schmerzen öffnete er den Mund. Schleim tropfte ihm auf die Zunge. Er schmeckte gallebitter. Sollte es so enden?
Nein! , übertönte eine Stimme das Dröhnen in seinem Kopf. So durfte es nicht enden. Bochim hatte ihm so viel genommen: Xydia, seine Mutter und etliche Freunde. Erinnere dich! Du hast das doch schon einmal erlebt . Das schreckliche Erlebnis im Turm von Zin stieg wie ein Albtraum aus seinem Gedächtnis auf. Gaal hatte ihn verschont. … schließe deine Augen, tapferer Krieger, das macht es leichter für dich .
Das war es! Von wegen leichter! Du willst nur nicht, dass ich dich in deinem schwächsten Moment sehe . Bei Gaal hatten sich die Augäpfel in ihren Höhlen verdreht. Es musste sich um einen Reflex handeln, eine unbewusste
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