Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
Reaktion des Körpers auf die bevorstehende Eiablage.
Taramis kniff die Augen zu. Was für Bochim wie eine Kapitulation aussehen mochte, war der verzweifelte Versuch, die letzten Reserven des Willens zu mobilisieren. Denke daran, was Marnas dich gelehrt hat! Taramis verbannte den Schmerz des ausgekugelten Schultergelenks in einen fernen Winkel seines Bewusstseins. Der ekelhafte Legerüssel glitt derweil in seinen Mund. Sammle die Kraft in deinem inneren Schwerpunkt , rief sich Taramis in Erinnerung. Der bittere Geschmack des Rüssels drohte ihn zu überwältigen. Er musste würgen.
Auf einmal war seine Zunge betäubt.
Ein schrecklicher Gedanke schwemmte seine Konzentration fort: Was, wenn er gar nicht spürte, wie der Fischkopf seine Brut in ihn legte?
Taramis riss die Augen auf. In denen des Antischs waren keine Pupillen mehr zu sehen, so weit hatte er sie verdreht. Der Legerüssel begann zu vibrieren. Jetzt oder nie!
Wie von Geisterhand löste sich Taramis’ Dolch aus der Scheide, stellte sich waagerecht und bohrte sich bis zum Heft in den Leib des Feuermenschen.
Bochims Pupillen kamen schlagartig wieder zum Vorschein. Er stieß Taramis von sich weg und starrte ungläubig auf das Messer, das aus seiner linken Brust ragte. Brüllend riss er es heraus und warf damit nach dem Mann, den er so reich hatte belohnen wollen. Blut sprudelte aus der Wunde.
Taramis war auf dem Rücken gelandet und wich der Waffe unter Schmerzen aus. Sie blieb neben ihm im Drachenkrötenschild stecken. Nun erwartete er, dass sein Widersacher endlich zur Vernunft kam, zusammenbrach und starb. Stattdessen verwandelte sich der Seelenfresser abermals.
Er nahm die Gestalt eines Nakileps an. Schon oft hatte ihn dieser Körper aus brenzligen Situationen gerettet. Obwohl die kleine Schwallechse wie zuvor der Antisch blutete, breitete sie die Schwingen aus und erhob sich in den Äther.
»Neiiin!« , schrie Taramis. Das durfte nicht sein. Es konnte nicht sein. Er hatte Xydias Mörder doch einen Dolch ins Herz gestoßen.
Plötzlich tauchte unter der Drachenkröte eine riesige Gestalt auf. Mit weit aufgerissenem Schnabel taumelte sie durchs Meer, einen Schweif von Blutstropfen hinter sich herziehend. Taramis starrte ungläubig seinen treuen Freund an. Mit einem Mal spürte er wieder das Seelenband zwischen ihnen. In der Auseinandersetzung mit Bochim hatte er ihrer unsichtbaren Verbindung keine Beachtung schenken können. Sein tapferes Mamogh starb, das konnte er deutlich fühlen.
Jetzt bemerkte auch der Seelenfresser in seiner Echsengestalt die überraschende Bedrohung. Er versuchte zur Seite auszuweichen …
Allon schnappte zu und schlang das Nakilep herunter.
Es war seine letzte Heldentat.
Als er starb, brandete eine dunkle Woge durch Taramis hindurch, die sein Bewusstsein zu verschlingen drohte. Er ließ den Kopf auf den Schild zurücksinken und begann zu weinen. »Ich habe mein Versprechen gehalten, Xydia. Dein Mörder ist tot. Nur hat er nicht dieses Grab verdient. Nicht meinen Freund Allon …«
Der Auserwählte
S húria tauchte wie aus dem Nichts auf, sank neben Taramis auf die Knie, fiel ihm um den Hals und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Er lag nach wie vor auf dem Schild der Drachenkröte, verwundet an Seele und Leib.
»Ist ja schon gut«, murmelte er benommen und schob sie sanft von sich. Ihre Überschwänglichkeit war ihm nicht geheuer.
»Du hast dein Leben für uns riskiert. Da muss ich dir doch danken«, beeilte sie sich zu erklären. Verlegen schlug sie die Augen nieder und ließ sich zurücksinken. Dabei zeigte sich, dass sie den Stab Ez in Händen hielt. Sie hatte ihn zu ihrem eigenen Schutz in ihre Bauchbinde eingewickelt.
»Mein rechter Arm ist ausgekugelt«, erklärte er. Er wollte sie nicht verletzen.
»Oh? Habe ich dir wehgetan?«
»Mach dir keine Sorge. Das renkt sich schon wieder ein.«
Shúria bedachte ihn mit einem forschenden Blick. Unvermittelt schien ihr einzufallen, was sie ihm mitgebracht hatte. Sie übergab ihm Ez, indem sie die Bauchbinde entrollte. »Das hast du verloren.«
»Ich bewundere deinen Mut.«
»Ich? Mutig?« Sie lachte. » Du bist tapfer. Kämpfst ganz allein gegen dieses Monstrum! Sag mal, hast du geweint, Taramis?«
Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich schwitze nur.«
Sie umarmte ihn ein zweites Mal. Ihre Wange schmiegte sich an die seine. »Ihr Krieger denkt, es sei unmännlich, Tränen zu vergießen, stimmt’s? Veridas hat immer gesagt, etwas Dümmeres
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